Profil:Helena Zengel

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Da ging es los: Auf der Berlinale 2019 gewann "Systemsprenger", in dem Helena Zengel die Hauptrolle spielt, einen silbernen Bären. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Die zwölfjährige Berlinerin brilliert als wildes Kind neben Tom Hanks - und wird dafür mit einer Nominierung für den Golden Globe belohnt.

Von Kathleen Hildebrand

In ihrer ersten Szene beißt sie gleich Tom Hanks in die Hand. Helena Zengel spielt in dem Western "Neues aus der Welt" ein Kind, das von Indianern entführt wurde, bei ihnen aufwuchs und nun in die sogenannte Zivilisation zurückgebracht werden soll. Zusammen mit dem US-Bürgerkriegsveteranen Captain Kidd (Hanks) reist sie über staubige Ebenen, durch gefährliche Wildweststädtchen und wehrt sich dabei nicht wenig gegen Zumutungen wie ein steifes Blümchenkleid mit Rüschen. Wenn sie nicht gerade schweigt, denn Englisch kann sie nicht, kreischt sie, singt oder spricht Kiowa, die Sprache ihres Indianerstamms.

Helena Zengel ist für die Darstellung der Johanna Leonberger für den Golden Globe, die wichtigste Auszeichnung nach den Oscars, als beste Nebendarstellerin nominiert worden. Das ist bemerkenswert nicht nur, weil das deutschen Schauspielern selten passiert, sondern auch, weil Helena Zengel erst zwölf Jahre alt ist. Beim Dreh mit Hanks in der Wüste von New Mexico war sie elf.

Neben ihm muss man erst mal bestehen können: Helena Zengel fährt als Johanna Leonberger in "Neues aus der Welt" mit Tom Hanks durch die Wildwestwüste. (Foto: Bruce Talamon/Universal Pictures/Imago/Cinema Publishers)

Andererseits ist es aber auch wenig überraschend, denn Helena Zengel entfaltet eine beeindruckende Präsenz. Alles, jede Emotion, ist auf ihrem offenen Gesicht mit den großen blauen Augen ablesbar: Wut und Angst, aber auch Stolz und eine Art früher Weisheit, die manchmal mit großer kindlicher Unschuld einhergeht. Wie sie das mache, hat die New York Times sie gefragt. Ihre Antwort: "Ich stehe vor der Kamera, ich weiß, was ich tun will, und dann tue ich es." Schauspielunterricht hat sie nie genommen.

Im Film heißt es immer wieder, dieses Kind habe etwas "Wildes". Das ist es, was Zengels erste große Hollywood-Rolle als Fortsetzung von "Benni" erscheinen lässt, jenem Part im deutschen Kinoerfolg "Systemsprenger", der sie 2019 bekannt gemacht hat.

Die Hauptrolle in "Systemsprenger" ist eigentlich eine unlösbare Herausforderung für ein schauspielendes Kind. Die neunjährige Benni kann so aggressiv und gewalttätig werden, dass nicht nur ihre alleinerziehende Mutter völlig überfordert ist. Auch Pädagogen, Psychologen und Heimleiter haben Angst vor ihr. So beginnt eine nervenzerrüttende und auch traurige Odyssee durch die Institutionen. Die Regisseurin Nora Fingscheidt hatte lange nach einer jungen Darstellerin gesucht, die solche Energien entfesseln kann, aber auch Bennis Sehnsucht nach Liebe und Sicherheit verkörpern würde. Schließlich fand sie die fröhliche, umgängliche und unschuldig aussehende Helena Zengel, damals wirklich neun. Fingscheidt erklärte ihr, sie habe jetzt Superkräfte und könne alle niederbrüllen und fertigmachen - das Ergebnis haut immer noch alle um, die den Film anschauen (aktuell etwa auf Netflix).

"Systemsprenger" wurde auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet, Helena Zengel gewann den Deutschen Filmpreis, als jüngste bisher Ausgezeichnete überhaupt. Auch in den USA bekam der Film viel Aufmerksamkeit, er war 2020 der deutsche Beitrag im Wettbewerb um die Oscars. Das Branchenmagazin Variety setzte sie auf seine Liste von Nachwuchsschauspielern, die mit einer großen Karriere rechnen könnten.

Tja, und dann meldete sich irgendwann Paul Greengrass, der Regisseur der "Bourne"-Filme, und lud sie zum Casting für "Neues aus der Welt" nach London ein. Die Rolle der Johanna mit Helena Zengel zu besetzen, sagte er der New York Times, sei "die einfachste Entscheidung des ganzen Films" gewesen.

Wer sich nun sorgt, dass der Ruhm das Mädchen aus Berlin zu einem der bemitleidenswerten "Kinderstars" der Hollywood-Geschichte machen könnte, dem sagt Helenas Mutter, die sie bei Drehs und Interviews stets begleitet, nur das: Wichtiger als die nächste E-Mail von Tom Hanks, der ihr zu einem väterlichen Freund geworden ist, sei Helena ihre Isländerstute Hekla. Und die Frage, wann sie nach monatelangem Distanzunterricht endlich wieder zur Schule gehen kann.

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