Lexikon:Kumbaya

Niemand weiß, woher das Lied kommt - aber jeder kennt es.

Von Andrian Kreye

Niemand weiß, wo das Lied "Kumbaya" herkommt. Aber alle können mitsingen. Aus diesem Grund und weil es im Kern ein Spiritual ist, wurde es in den Fünfzigerjahren zur Hymne der Bürgerrechtsbewegung. Bei den Märschen von Martin Luther King wurde das Lied gesungen. Joan Baez hatte es im Repertoire. Der Folksänger Pete Seeger spielte es oft. Der erzählte, dass ein befreundeter Pfarrer ihm gesagt habe, es stamme aus Angola und sei dort in einer Mission gesungen worden. Vielleicht sei es ein amerikanischer Psalm mit dem Titel "Come here my Lord", der dort zum "Kumbaya" wurde. Als gesichert gilt, dass die erste Aufnahme des Liedes 1926 in North Carolina vom Folksong-Forscher Robert Winslow Gordon auf Wachszylinder gemacht wurde. Und auch, dass Afroamerikaner auf den Inseln vor den Carolinas und Georgia "Kumbaya" sangen und der Refrain wahrscheinlich aus ihrer kreolischen Sprache Gullah stammt. Weil aber Melodie und Text gar so schlicht sind, wurde der Song in den Neunzigerjahren zum Synonym für eine naive Harmoniesucht, die vor allem der progressiven Linken mit ihren Träumen vom Weltfrieden zugeschrieben wurde. Diese Bedeutung ist inzwischen ein solch fester Bestandteil des amerikanischen Vokabulars, dass jeder wusste, was Joe Biden meinte, als er in einem Doppelaxel der Ironie meinte, seine Begegnung mit Putin sei "kein Kumbaya-Moment" gewesen.

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