Landwirtschaft:Bauer sucht Chance

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Bund und Länder verhandeln über die künftige Verteilung der Agrarmilliarden. Sie könnten Landwirten eine Zukunft geben und gleichzeitig die Natur schützen. Doch sie drohen zu scheitern.

Von Michael Bauchmüller

Gemessen an ihrem Umfang sind Europas Agrarsubventionen erstaunlich erfolglos. Allein in Deutschland fließen im Jahr mehr als sechs Milliarden Euro an Landwirte. Doch viel Segen bringt das viele Geld nicht, mal abgesehen von ein paar großen Profiteuren. Viele Bauern sehen keine Zukunft. Jedes Jahr verschwinden um die 3000 Höfe. Auch die Artenvielfalt in Agrarlandschaften nimmt ab, dezimiert nicht zuletzt wegen einer zunehmend großflächigen, intensiven Bewirtschaftung. Freuen könnten sich allenfalls die Verbraucher, weil Lebensmittel schön billig sind. Aber viele ahnen, dass billige Ernährung einen hohen Preis haben könnte.

Europas Agrarmilliarden haben all das nicht abwenden können, im Gegenteil: Sie haben es befördert.

Wie es mit diesen Milliarden weitergeht, könnte sich diese Woche entscheiden - in Berlin. Die Agrarpolitik ist neuerdings wieder Sache der einzelnen EU-Staaten. Auch Deutschland kann einen eigenen "Strategieplan" entwerfen, an dem sich bis 2027 die Überweisungen an die Landwirte orientieren. Agrarministerin Julia Klöckner hat den Plan grob skizziert und will schon am Mittwoch damit durchs Kabinett; noch streitet sie mit der Umweltministerin darüber. Bis Freitag wollen auch die Länder eine Linie dazu finden, nach zwei ergebnislosen Nachtsitzungen voller Streit. Über allem schwebt wie ein Schatten schon der nahende Bundestagswahlkampf.

Bei so viel Uneinigkeit geraten die wesentlichen Fragen leicht aus dem Blick: Wie soll Landwirtschaft - und damit auch Landschaft - hierzulande in Zukunft aussehen? Wer sorgt dafür, dass künftige Generationen Feldlerche und Wiesenpieper nicht nur im Naturkundemuseum kennenlernen? Was erhält eine Gesellschaft als Gegenleistung für die Milliarden, die sie aus Steuermitteln aufbringt? Und was dürfen die Landwirte von der Gesellschaft erwarten, an Wertschätzung, an Solidarität, an Verständnis für die komplizierte Ökonomie ihrer Betriebe?

Gepflegte Landschaften gibt es nicht ohne Landwirte, und auch nicht ohne junge Leute, die in Ackerbau und Viehzucht eine Zukunft sehen. Eine Zukunft aber, gerade unter den Bedingungen offener globaler Märkte, wird ohne öffentliche Förderung nicht auskommen. Die Hilfen für die Landwirte könnten gut angelegtes Geld sein. Könnten.

Das allerdings verlangt eine Abkehr von der abwegigen Idee, die Förderung im Wesentlichen an die Flächen zu koppeln. Genau so läuft es bisher in der Europäischen Union: Wer hat, dem wird gegeben. Große Betriebe erhalten viel, kleine entsprechend weniger; das Ganze garniert mit ein paar Sonderregeln und Auflagen. Das freut alle, die Land besitzen. Selbst Verpächter streichen so indirekt die Direktzahlungen ein, selbst wenn sie Traktoren nur von außen kennen. Das wiederum macht den Erwerb von Land attraktiv, binnen zehn Jahren haben sich die Bodenpreise verdoppelt. Nennenswerte Gewinne macht nur, wer möglichst große Flächen möglichst intensiv bewirtschaftet. Die Folgen für die Artenvielfalt sind vielfach beschrieben worden und oft mit bloßem Auge sichtbar.

Eine nationale Strategie bietet die Chance, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Mehr als bisher könnten Landwirte den öffentlichen Teil ihres Einkommens damit erzielen, dass sie Leistungen für die Allgemeinheit erbringen - indem sie etwa Acker- in Weideland umwandeln, Moore wiederherstellen, Blühstreifen und Hecken anlegen, Flächen für Lerchen offenhalten. Das alles schmälert ihre Erträge, steigert aber den Ertrag für den Rest der Gesellschaft. Gute Ideen für einen Ausgleich in Form einer "Gemeinwohlprämie" gibt es schon.

Das alles geht nicht von heute auf morgen, muss es auch nicht. Entscheidend aber ist ein klarer Kurs, auf den sich auch die Landwirte verlassen können. Deshalb wäre jetzt die Gelegenheit, den Schwenk einzuleiten: Schritt für Schritt ließen sich Mittel aus dem bisherigen System der Flächenprämien abzweigen, hin zur Entlohnung von Umweltleistungen, zu mehr Ökolandbau oder regionalen Naturschutzprojekten. Qualität statt Größe - das gäbe der Landwirtschaft eine neue Richtung und der Natur im Land eine neue Chance.

Doch leider sind Bund und Länder auf bestem Wege, diese Chance zu verspielen. Der Vorschlag Julia Klöckners liegt am unteren Ende des Möglichen und lässt nahezu 80 Prozent der Förderung so, wie sie ist. Grundsätzliche Gedanken über die Zukunft der Landwirtschaft hat sich ihr Ministerium nicht gemacht, den Rat einer zu diesem Zweck eingesetzten Kommission wartet es nicht einmal ab. Das ist traurig.

So bleibt die Zukunft absehbar: Still werden weitere Landwirte einpacken. Sie werden in den Dörfern die letzten Hoftore zusperren und buchstäblich denen das Feld überlassen, die das größere Gerät und mehr Kapital mitbringen. Irgendwann wird man das Land nicht wiedererkennen.

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