Irak:Demonstrationen der Macht

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Eskaliert der Atomkonflikt mit Iran wieder? Nuklearanlage in Arak. (Foto: AP)

Am Jahrestag der Tötung des iranischen Revolutionsgarden-Generals Soleimani demonstrieren in Bagdad Zehntausende gegen die Präsenz der USA. Auch im Konflikt mit Iran droht eine Verschärfung.

Von Paul-Anton Krüger, München

Zehntausende Menschen haben am Sonntag im Irak bei Massenprotesten der Tötung des iranischen Revolutionsgarden-Generals Qassim Soleimani und des irakischen Milizenführers Abu Mahdi al-Muhandis durch die USA vor einem Jahr gedacht. Sie forderten, die "Besatzer" aus dem Land zu vertreiben - gemeint sind die noch im Irak verbliebenen etwa 3000 US-Soldaten. In der Nacht auf den 3. Januar 2020 hatte eine US-Drohne am internationalen Flughafen von Bagdad eine Rakete in das Auto der beiden gefeuert.

Die Milizen nutzten die Proteste für eine Demonstration der Macht in Bagdad: Ihre Anhänger versammelten sich auf dem Tahrir-Platz im Stadtzentrum von Bagdad. Er war seit Oktober 2019 Brennpunkt der regierungskritischen Proteste, die sich auch zunehmend gegen den Einfluss Irans im Irak richteten. Die Milizen widersetzen sich Versuchen des Interimspremiers Mustafa al-Kadhimi, ihre Macht einzuschränken und ihre bewaffneten Einheiten in die Struktur der regulären Sicherheitskräfte zu integrieren.

Milizenführer sagten, es werde keine Angriffe auf die US-Botschaft geben. Die USA hatten wegen befürchteter Attacken ihre Truppen in der Region jüngst deutlich aufgestockt. Daran knüpften sich Befürchtungen, US-Präsident Donald Trump könnte noch kurz vor Ende seiner Amtszeit einen begrenzten Militärschlag gegen die mit Iran verbündeten Milizen oder sogar das Atomprogramm der Islamischen Republik befehlen, auch um eine Annäherung der USA an Iran unter seinem designierten Nachfolger Joe Biden zu erschweren.

Iran hatte nach US-Militärangaben zusätzliche Raketen und Militäreinheiten in den Irak verlegt. Erst am 20. Dezember waren auf dem Gelände der US-Botschaft in der Grünen Zone in Bagdad Geschosse eingeschlagen. Eine ähnliche Eskalation mit Attacken auf die US-Vertretung war dem Drohnenangriff vor einem Jahr auf Soleimani und Muhandis vorangegangen.

Iran hat angekündigt, Uran auf 20 Prozent anreichern zu wollen

Soleimani war Kommandeur der Quds-Brigaden, einer Eliteeinheit, die etwa für Irans Militäroperationen in Syrien, im Irak oder Jemen verantwortlich ist, weltweit an Terroranschlägen beteiligt sein soll und ein Netzwerk der von Teheran unterstützten Milizen steuert, von denen die libanesische Hisbollah die bekannteste ist.

Muhandis, der mit bürgerlichem Namen Jamal Jaafar Muhammad Ali al-Ibrahim hieß, war der Vizechef der sogenannten Volksmobilisierungskomitees, einer Dachorganisation zumeist schiitischer Milizen, und Generalsekretär der Kataib Hisbollah, einer der schlagkräftigsten von den Revolutionsgarden gesteuerten bewaffneten Gruppen im Irak.

Die USA hatten 2000 zusätzliche Soldaten und Luftabwehr nach Saudi-Arabien verlegt. Drei Mal überflogen B-52-Langstreckenbomber die Golfregion. Überdies lief das Atom-U-Boot USS Georgia begleitet von zwei Lenkwaffen-Kreuzern durch die Straße von Hormus in den Persischen Golf ein. Zusammen verfügen allein diese drei Schiffe über fast 400 Abschusskanister für Tomahawk-Marschflugkörper. Am Freitag beorderte das Pentagon dann abrupt den Flugzeugträger USS Nimitz nach Hause, der zuvor im Arabischen Meer außerhalb des Golfs kreuzte. Damit sollte laut US-Regierungsbeamten ein Signal der Deeskalation an Iran ergehen.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hatte Saudi-Arabien und Israel beschuldigt, sie wollten einen Krieg in der Region provozieren und US-Präsident Trump in den letzten Tagen seiner Amtszeit zu einem Angriff auf Irans Atomanlagen verleiten. Er bezog sich offenbar auf entsprechende Berichte in saudischen und israelischen Medien.

Iran hatte zuvor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien angekündigt, wieder Uran auf 20 Prozent anreichern zu wollen. Das von den Hardlinern dominierte Parlament hat ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Der Schritt würde zweifellos eine Eskalation nach sich ziehen, sollte ihn die Regierung umsetzen.

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