Heimatministerium:Braucht kein Mensch

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Horst Seehofers Idee eines Heimatministeriums war vielversprechend. Denn das Versprechen gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland ist bis heute nicht eingelöst. Doch das Vorhaben erweist sich als Flop.

Von Constanze von Bullion

Als es losging, sprach Horst Seehofer von einer "Mission". Er werde sich als Bundesinnenminister nicht nur um Kriminalität kümmern, kündigte er 2018 an. Zur inneren Sicherheit der Menschen gehöre auch die Gewissheit, daheim leben und bleiben zu können: bei bezahlbarer Miete, verlässlicher Infrastruktur und mit dem Gefühl dazuzugehören. Das erste bundesdeutsche Heimatministerium war erfunden. Es hätte ein Zukunftsprojekt werden können. Aber es wurde ein Flop.

Dabei war die Idee, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, vielversprechend. Eigentlich. Denn steil wie die Rupalwand am Nanga Parbat zieht sich ein Wohlstandsgefälle durch Deutschland. Es verläuft im Wesentlichen zwischen dem selbstbewussten Südwesten und dem unzufriedeneren Norden und vor allem Osten. Ob bei Wirtschaftsleistung oder Akademiker-Rate, Schienen- oder Mobilfunknetz: 30 Jahre nach der deutschen Einheit zeichnet die Gerechtigkeitslandkarte über weite Strecken noch die einstige Zonengrenze nach. Östlich davon, aber auch in einzelnen West-Regionen, vergiftet das vielen das Gemüt.

Mit fortdauernder Ungleichheit erodiert das Vertrauen in die Demokratie. Wer über Jahre mit dem Rücken zum Staat und dessen uneingelöstem Gerechtigkeitsversprechen lebt, ist anfälliger für Verschwörungsmythen und Extremismus. Wissen wir alles schon, kann man jetzt sagen. Ist doch bekannt, dass viele Leute in Ostdeutschland oder dem Ruhrgebiet sich irgendwie vergessen fühlen. Genau diese Haltung aber, das Schulterzucken des privilegierten Rests, sollte Seehofers Heimatministerium bekämpfen, eigentlich. Tut es aber nicht.

Seehofers Bastelstube entwickelt keine wirksamen Instrumente

Es wurden 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Riesenabteilung "Heimat" des Bundesinnenministeriums zusammengezogen, um benachteiligte Regionen zu stärken. Dazu erfand man eine Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse". Die Erfolge sind, vorsichtig ausgedrückt, kaum messbar. Mit enzyklopädischer Vollständigkeit werden nun Heimatberichte verfasst, die regionale Unterschiede auf bunten Landkarten nachzeichnen. Wirksame Instrumente zur Bekämpfung der Ungleichheit entwickelt Seehofers Bastelstube nicht.

Nicht einen Gesetzentwurf hat die Abteilung Heimat zustandegebracht. Da hilft auch die Ausrede nicht weiter, man sei eben ein Querschnittsressort, das Gesetze anderer Ministerien unterstütze. Ein paar Bundesbehörden wurden in strukturschwache Regionen verpflanzt, und mit ihnen 1900 Arbeitsplätze, immerhin. Auf fünf Sechstel der umzusetzenden Stellen aber wird noch gewartet. Seehofer betont auch gern, dass jeder Gesetzentwurf nun daraufhin geprüft werde, ob er dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse diene. Nur wie oft hat die Abteilung Heimat da eingreifen müssen, um ein Gesetz zu korrigieren? Nie, lautet etwas kleinlaut die Antwort. Das Ziel regionaler Angleichung werde in allen Ressorts nun automatisch "mitgedacht".

Womit auch die Frage beantwortet wäre, wer Seehofers Abteilung Heimat eigentlich braucht: kein Mensch. Denn so verschlafen, wie sie ist, erfüllt sie ihre Aufgabe nicht. Im Bundesinnenministerium scheint man das inzwischen ähnlich zu sehen. Als ein Staatssekretär am Donnerstag den Etat seines Hauses im Bundestag vorstellte, ließ er die Heimat-Abteilung einfach aus. Mit anderen Worten: kann weg.

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