Aktuelles Lexikon:Sixtinische Madonna

Zwei Umweltaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" haben sich in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden am Rahmen der Sixtinischen Madonna von Raffael festgeklebt. Die Wachleute konnten das nicht verhindern. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Ein Kunstwerk, das in die Zukunft blickt, aber in der Gegenwart leidet.

Von Kia Vahland

Dieser Akt von Vandalismus ist gerade noch einmal gutgegangen: Zwei Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" haben sich mit Sekundenkleber am Rahmen von Raffaels 1513 geschaffener Sixtinischer Madonna in Dresden befestigt, um vor dem Klimawandel zu warnen. Zum Glück handelt es sich nicht um den historischen Rahmen, der Schaden kann behoben werden. Ermittelt wird wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung". Die Sixtinische Madonna ist aber viel mehr als nur eine "Sache": eines der wenigen Gemälde in deutschen Museen, die fast jeder kennt. Vor allem die beiden so kindlichen Engel am unteren Bildrand haben eine Karriere auf Kaffeebechern und Nippes aller Art hinter sich. Diese Isolation von den anderen Figuren beraubt sie allerdings ihrer Bedeutung: Mit ihrem verträumten, verspielten Ausdruck kontrastieren sie den Schrecken im Gesicht des Jesusknaben, der schon als Kleinkind seinen Tod vor Augen hat. Genau darauf heben die Klimaaktivisten ab, weil sie die Menschheit kurz vor ihrem Ende sehen. Da die beiden sich aber nicht mit Reproduktionen oder auch nur Abstand zum Gemälde begnügten, sehen die Fotos von ihrer Aktion nun aus, als fürchte sich das Jesuskind nicht vor der Zukunft, sondern vor der Gegenwart, in der ungebetene Gäste an seinem Rahmen kleben und den beiden vertrauensseligen Engelchen viel zu nah kommen.

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