Aktuelles Lexikon:Schreddern

Vom Aktenvernichten ist es zum Sinnbild für eine brutale Fleischwirtschaft geworden.

Von Thomas Hummel

Den Schredder gibt es in Deutschland noch nicht lange. Er ist quasi ein Immigrant aus dem Englischen, einst nannte man ihn Hacker oder Häcksler. Es handelt sich jeweils um Zerkleinerungsmaschinen. Im heutigen Sprachgebrauch wird Holz gehäckselt, Papier geschreddert. Das Schreddern von Lebewesen ordnete man lange der Sparte Horrorfilm zu. Bis bekannter wurde, dass Millionen Küken am Tag eins ihres Lebens im Schredder landen. Der Grund: Sie sind männlich. Da sie einer Zuchtrasse angehören, die aufs Eierlegen spezialisiert ist, sind sie wirtschaftlich wenig wert. Hähne legen keine Eier, und Fleisch setzt diese Rasse vergleichsweise wenig an. Also weg damit. Kükenschreddern wurde damit zum Sinnbild für eine brutale Fleischwirtschaft. Im Jahr 2020 starben so etwa 40 Millionen männliche Küken. Wobei sie inzwischen meistens mittels Kohlendioxid erstickt werden, der Schredder kommt nur noch selten zum Einsatz. Dabei darf dem Tierschutzgesetz zufolge niemand einem Tier "ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen". Im Jahr 2019 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass wirtschaftliche Interessen dafür alleine nicht ausreichen. Der Bundestag beschloss nun eine Gesetzesänderung, das Kükentöten endet Anfang 2022. Danach sollen bereits im Ei das Geschlecht geprüft und die männlichen Küken aussortiert werden.

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