Aktuelles Lexikon:Lustbarkeit

Ein sehr altes Wort, das bei Behörden aber modern ist.

Von Detlef Esslinger

Dies ist ein Wort, das in sehr alten und sehr neuen Texten vorkommt - so im "Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart", das Johann Christoph Adelung im Jahr 1786 fertigstellte, und in der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO, einem Geschöpf vom 23. Dezember 2021. Adelung, Bibliothekar in Leipzig, legte einst eine Bestandsaufnahme der deutschen Sprache vor. Lustbarkeiten definierte er als Veranstaltung, in der es darum geht, "mehrern eine Lust, d. i. ein sinnliches Vergnügen, zu erwecken". Damals war es ein Ausdruck, den vor allem diejenigen verwendeten, die sich vornehm gaben. Heute ist es ein Wort, das zum Beispiel Behörden im Wortschatz haben - hinter der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO verbirgt sich in Hamburg die Verordnung, mit der der Senat das Coronavirus eindämmen will. Analog zu allen anderen Bundesländern legt sie fest: "Tanzlustbarkeiten ... sind untersagt", zunächst bis zum 21. Januar. Behörden schätzen Wörter, die sich als Oberbegriffe eignen - ebenso wie Wörter, die das womöglich Brutale ihres Handelns verdecken. In der Region Traunstein streift derzeit ein Wolf durch die Dörfer, weshalb Bayerns Umweltminister dessen "Entnahme" erwägt. Man kann sich denken, was er in Wahrheit meint. Wer nicht gleich draufkommt, dem sei zumindest so viel verraten: Eine Lustbarkeit für den Wolf bedeutet sie nicht.

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