Aktuelles Lexikon:Kotei

Warum es in Japan ein größeres Thema ist, dass Premier Kishida seine Dienstvilla bezieht.

Von Thomas Hahn

Seit dieser Woche wohnt Fumio Kishida auf dem Gelände der Kantei, also am Amtssitz des japanischen Premierministers im Tokioter Stadtteil Nagatacho. Klar, denn seit Anfang Oktober ist Kishida der Regierungschef im Inselstaat. Trotzdem merkt Japans Öffentlichkeit auf. Kishida ist seit neun Jahren der erste Premier, der in die Kotei zieht, in den offiziellen Wohnsitz des Premierministers direkt neben der Kantei. Seine Vorgänger mussten sich Kritik gefallen lassen dafür, dass sie die Dienstvilla nicht nutzten, obwohl diese den Steuerzahler jedes Jahr 160 Millionen Yen (1,4 Millionen Euro) Unterhalt kostet. Allerdings haben Beschwerden über die Wohnverhältnisse in Japans Machtzentrale Tradition. Eng, unpraktisch, kakerlakenfreundlich sei es dort, hieß es einst. Außerdem: gruselig. Die heutige Kotei, erbaut 1929 und lange als Kantei genutzt, war einst Schauplatz von Revolten und eines tödlichen Attentats - das beflügelte den Aberglauben. Das Gerücht, dass es in der Residenz spuke, war schon Thema im Parlament. Seit 2002 steht die moderne Kantei, ein geräumiger Bau mit Glasfront und Flachdach. Das Ziegelgebäude der alten dient seit 2005 als Wohnsitz des Premiers. Eng dürfte es darin nicht sein. Kishida hat mitgeteilt, er schlafe gut. Und auf die Frage, ob er Gespenster gesehen habe, sagte er: "Noch nicht."

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