Aktuelles Lexikon:Kohlensäure

Ein Nebenprodukt, das jetzt schmerzlich fehlt.

Von Joachim Becker

Tank oder Teller? Die Beimischung von Agrosprit in fossiles Benzin oder Diesel ist umstritten. Umweltverbände klagen, dass in Europa täglich fast 19 Millionen Flaschen Raps- und Sonnenblumenöl, 14 Millionen Flaschen Palm- und Sojaöl und Weizen im Umfang von umgerechnet 15 Millionen Brotlaiben als Kraftstoff in Autotanks landen. Stattdessen könnte man mit dem Getreide auch Bier brauen. Muss es also Tank oder Masskrug heißen?

Erste Bierbrauer stellen nun ihre Produktion ein - nicht aus Mangel an Weizen, sondern weil ihnen bezahlbare Kohlensäure fehlt. Die anorganische Säure wird auch zur hygienischen Spülung und Befüllung von Flaschen und Fässern benötigt, in der Gastronomie lässt es die Getränke aus dem Zapfhahn sprudeln. Kohlendioxid (CO₂) entsteht als Abfallprodukt bei der Herstellung von Ammoniak, sprich Kunstdünger. Weil dafür viel Erdgas benötigt wird, lohnt sich die Produktion kaum noch.

Gleichzeitig versiegt eine zweite Quelle für Kohlensäure: Eine der größten Ethanol-Anlagen in Europa wird womöglich stillgelegt, weil der Energiebedarf zu hoch ist. In Zeitz (Sachsen-Anhalt) wird aus Getreide Bioethanol produziert, dabei entstehen 250 000 Tonnen CO₂ pro Jahr. Ohne Ethanol, das in den E10-Ottokraftstoff fließt, gibt es also weniger Kohlensäure für Brauereien. Es muss also "Tank und Masskrug" heißen.

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