Aktuelles Lexikon:Eunuch

Erika Steinbach und ihre Stiftungskollegen sehen sich politisch nicht als kastrierte Sklaven der AfD.

Von Meredith Haaf

Erika Steinbach ist ein ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestags für die CDU, zu ihren stilprägenden Äußerungen gehört die Behauptung, Polen habe 1939 "mobilgemacht". Inzwischen spricht sie als Vorsitzende für die Erasmus-Desiderius-Stiftung. Deren Nähe zur AfD ist derzeit Thema am Bundesverfassungsgericht; dort geht es um die Frage, ob die Stiftung Anspruch auf die staatliche Förderung hat, wie die anderen parteinahen Stiftungen auch. Über die Erasmus-Desiderius-Repräsentanten gab Steinbach zu Protokoll, dass sie, was ihr Verhältnis zur AfD betrifft, "keine politischen Eunuchen" seien. Diese Metaphorik weckt kuriose Assoziationen. Das Wort Eunuch ist ein altgriechisches Kompositum mit zwei möglichen Bedeutungen: "das Bett bewachen" oder "gut sein im Geist". Die Geschichte der Eunuchen ist eine der Grausamkeit, die in der frühen Antike unter den Assyrern beginnt und sich vor allem in Asien, auf der arabischen Halbinsel und im Osmanischen Reich fortsetzt. Versklavten männlichen Kindern und Jugendlichen wurden die Genitalien ganz oder teilweise gewaltsam entfernt, um sie als Diener in den innersten und intimen Bereichen der höfischen Gesellschaft einzusetzen; die Verstümmelung männlicher Sexualität war Programm. Wer betont, kein politischer Eunuch zu sein, erotisiert gewissermaßen das eigene politische Verhalten - "gut im Geiste" ist etwas anderes.

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