Zum Tod von Ronan O'Rahilly:Der Radio-Pirat

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Ronan O’Rahilly (1940 – 2020), war als junger Geschäftsmann von großem Mut beseelt und spielte Popmusik, die von der BBC verschmäht wurde. (Foto: Pierre Manevy/Getty Images)

Er war ein großer Rundfunk-Pionier: Ronan O'Rahilly gründete 1964 den Sender Radio Caroline. Dieser sendete von einem Kutter aus mit Popmusik gegen die BBC an und wurde später im Film "Radio Rock Revolution" verewigt.

Von Willi Winkler

Sein Großvater, genannt "The O'Rahilly", ist bis heute ein irischer Nationalheld, weil er beim Osteraufstand 1916 mit seinem Fähnlein aufrechter Republikaner gegen die britische Armee stürmte und im Maschinengewehrfeuer starb. William Butler Yeats hat ihn in einer Ballade verewigt, die unvermeidlich im Blut endet, mit dem sein Name geschrieben sei.

Der Enkel focht seine Schlacht weit besser aus: Am Karsamstag 1964, nur einen Tag vor Ostern, ging Radio Caroline auf Sendung. In England war fortan Unerhörtes zu hören. Es ging los mit Brian Jones an der Mundharmonika und Mick Jagger mit Maracas, "Not Fade Away" von den Rolling Stones. Das britische Musikwunder, das eben begonnen hatte, explodierte mit Hilfe eines umfirmierten Kutters, der unter bolivianischer und panamaischer Flagge lief, in der Schweiz angemeldet war, über Liechtenstein abgerechnet wurde und in der Hauptstadt für den Beginn von "Swinging London" sorgte.

Bis dahin hatte es in England keinen kommerziellen Sender gegeben, und bei der öffentlich-rechtlichen BBC war Popmusik als sehr leichte Muse geringgeschätzt. Mit einem Mal war sie da, waren Dave Clark Five und The Who und Jimi Hendrix ganztags auf den ebenfalls neuen Transistorradios zu hören, und ärgerten die Behörden, weil Radio Caroline außerhalb der Hoheitsgewässer ankerte. Der von Haus aus wohlhabende Ronan O'Rahilly gab das Geld, das er damit nicht verdiente, mit vollen Händen aus, bis 1967 die Piraterei gesetzlich unterbunden wurde.

Der Film Radio Rock Revolution (2009) basiert zu Teilen auf O'Rahillys legendärer Frechheit, die ihn im Zweifel auch Werbegeld von amerikanischen Evangelikalen annehmen ließ. Vergeblich versuchte er die wirtschaftlich mit ihrem Label Apple scheiternden Beatles zu beraten und stürzte sich auch sonst in die absurdesten Unternehmungen. Er fantasierte von einem neuen Musikdampfer mit Nuklearantrieb und wollte von einem Flugzeug aus, das über der Nordsee kreuzen sollte, ein eigenes Fernsehprogramm senden. Er produzierte einen sagenhaft schlechten Film mit Marianne Faithfull und Alain Delon und das schauerliche Album "Two Virgins" mit John Lennon und Yoko Ono.

Einer der Künstler, die er betreute, war George Lazenby, der Agent 007 in Im Geheimdienst Ihrer Majestät spielte. O'Rahilly riet ihm davon ab, einen Vertrag über weitere Bond-Filme zu unterschreiben, da der altgediente James Bond nicht mehr auf der Höhe der Zeit sei.

Er selber war wie immer früh dran, propagierte bereits in den Achtzigern chinesische Medizin und die erst neuerdings in Schwang gekommene "Achtsamkeit". Bis zuletzt war ein Film angekündigt, der die endgültige Wahrheit über das Attentat auf John F. Kennedy ans Tageslicht bringen sollte. Nach Kennedys Tochter Caroline hatte er seinen Befreiungssender benannt. Am Montag ist dieser extrembritische Revolutionär 79-jährig in seiner irischen Heimat gestorben. RIP, aber geschrieben in lauter lauten Noten.

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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