Vergewaltigungsvorwurf:ARD plant ohne Kachelmann

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Die ARD plant erst einmal ohne Jörg Kachelmann. Wie lange muss der Wetterexperte in Untersuchungshaft sitzen? Wird er medial vorgeführt?

Ihr Star-Moderator weiter in Untersuchungshaft, täglich aber muss das Wetter ansprechend vor der Tagesschau und nach den Tagesthemen präsentiert werden - da plant die öffentlich-rechtliche ARD lieber ohne Jörg Kachelmann.

Bis Ende April kommen, so die Einsatzlisten, Claudia Kleinert und Sven Plöger beim Wetterbericht nach den Tagesthemen zum Einsatz. Das bestätigte ein ARD-Sprecher.

Die Präsentation der Wetterkarte vor der Tagesschau sei noch nicht geklärt. Sie werde ohnehin kurzfristiger festgelegt, hieß es dazu. Plöger und Kleinert ersetzen den in Untersuchungshaft befindlichen Kachelmann bereits seit Beginn der Woche.

Unterdessen schweigt sich die ARD auf ihren renommiertesten Info-Plätzen weiterhin über den Fall aus. ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke schrieb am Mittwoch in seinem Blog dazu, der Verdacht einer Vergewaltigung allein reiche nicht zur Berichterstattung in der Tagesschau aus. Im Fall einer Anklageerhebung wäre das anders. "Das hat eine andere juristische Qualität. Das ist der Maßstab, der für uns heute noch gilt wie 2004", argumentierte Gniffke unter Bezug auf den Fall Andreas Türck, der vor sechs Jahren für Wirbel sorgte.

Ein Zensur-Vorwurf lasse sich "beim besten Willen", so Gniffke, nicht aufrechterhalten: "Wenn die ARD den Fall im Fernsehen in Brisant auch heute wieder vor einem Millionenpublikum ausbreitet, wenn mehrere ARD-Hörfunkwellen und ARD-Regionalprogramme berichten, dann kann man doch nicht allen Ernstes von Zensur reden."

Kritik an der Berichterstattung, aber auch dem Verhalten der Justiz übt der Berliner Medienanwalt Christian Schertz. Er wirft der Staatsanwaltschaft eine öffentliche Zurschaustellung von Jörg Kachelmann vor. "Mir ist kein Fall in der deutschen Pressegeschichte bekannt, wo es die Justiz ermöglicht hat, dass ein bloßer Beschuldigter vor laufenden Kameras in eine grüne Minna weggeschlossen wurde", sagt Schertz. "Der Staat hat eine unbedingte Schutzpflicht, auch für den Beschuldigten, dass er nicht ohne Not in einer für ihn unwürdigen Situation abgebildet wird."

Der TV-Wetterexperte sitzt wegen des Verdachts der Vergewaltigung seiner früheren Lebensgefährtin in Untersuchungshaft, bestreitet aber die Vorwürfe und will sich juristisch dagegen zur Wehr setzen. Nach seiner Vernehmung musste der 51-Jährige im Amtsgericht Mannheim am Mittwoch zu einem Gefangenentransporter auf dem Hof laufen. Dort warteten Journalisten mit Kameras und filmten die Szene. Kachelmann war rasiert, mit Lederjacke und schwarz-weißem Ringelhemd zu sehen.

Schertz bezeichnet das als "mediale Vorführung" und betont, die Justiz hätte verhindern müssen, dass solches Bildmaterial hergestellt werden kann.

Das Ganze wiege umso schwerer, als es Kachelmann in diesem Moment nicht möglich gewesen sei, sich zur Wehr zu setzen, meint Schertz, der Prominente wie Günther Jauch und Thomas Gottschalk bei Fragen des Persönlichkeitsrechts vertritt. "Die Medien können sich wahrscheinlich sogar mit Recht darauf berufen, dass es die Justiz war, die dieses Bildmaterial ermöglicht hat."

Üblicherweise erfolgten Haftprüfungstermine auch bei prominenten Beschuldigten bewusst hinter verschlossenen Türen, um die Betroffenen zu schützen. "Dieses wurde", so Schertz, "im vorliegenden Fall zumindest grob fahrlässig unterlassen."

Dem kamerasicheren Jörg Kachelmann ist dies aber bewusst gewesen. "Ich bin unschuldig", rief er den Pressevertretern zu.

Das Mannheimer Amtsgericht hat deshalb die Vorwürfe von Christian Schertz umgehend zurückgewiesen. "Das Vorgehen wurde mit Herrn Kachelmann abgestimmt, dem auch Gelegenheit gegeben wurde, sich gegenüber der Presse zu äußern", sagte Gerichtssprecher Volker Schmelcher. Es sei zudem rechtlich unstrittig, dass ein Informationsanspruch der Öffentlichkeit "nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden kann". Er müsse mit dem Persönlichkeitsrecht Kachelmanns abgewogen werden. "Eine solche Abwägung hat das Amtsgericht pflichtgemäß vorgenommen", sagte Schmelcher.

© sueddeutsche.de/dpa/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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