US-Medien:Der Lockvogel

Der Betrugsversuch bei der "Washington Post" war offenbar monatelang vorbereitet. Die Frau, die dem Blatt eine falsche Geschichte unterjubeln wollte, hatte zuvor Dutzende Journalisten ausgehorcht und Gespräche mitgeschnitten.

Von Viola Schenz

Diese Woche ist die Washington Post vor allem mit einer Angelegenheit befasst: mit sich selbst. Die angesehene US-Tageszeitung ist Opfer eines journalistischen Betrugs geworden. Seit vergangenem Montag informiert sie ihre Leser darüber, wie eine Frau wiederholt in Kontakt mit Post-Mitarbeitern getreten war, um ihnen eine, wie sich später herausstellte, Lügengeschichte über den Senatskandidaten Roy Moore aufzutischen. Wie Post-Recherchen jetzt ergaben, handelte es sich dabei keineswegs um eine Einzelaktion, sondern war Teil einer Kampagne, die monatelang geplant war und auf weitere Medien in Washington und New York zielte.

Die 41-Jährige, die mit unterschiedlichen Namen, Berufen sowie Twitter- und Facebook-Konten operierte, "enthüllte", als Jugendliche von Moore geschwängert worden zu sein, das Kind jedoch abgetrieben zu haben. Moore werden derzeit von zwei Frauen sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Wie sich herausstellte, war Jaime Philips, so ihr richtiger Name, für die sehr konservative Gruppe "Project Veritas" als Lockvogel darauf angesetzt, Falschinformationen zu verbreiten, um die betroffenen Medien anschließend als "Lügenpresse" vorzuführen. Die Washington Post konnte diese Woche Philips' gelöschte Medien-Konten wiederherstellen. Es zeigte sich, dass Philips sich seit Juli in zwei Dutzend journalistische oder linke Gruppierungen eingeschlichen hatte. Sie horchte Dutzende Journalisten über Politik und Kollegen aus und schnitt Gespräche heimlich mit. Offensichtlich, so die Post, waren weitere Diskreditierungen geplant. Project Veritas veröffentlichte die Videos diese Woche - wohl als Racheaktion auf die Post-Enthüllungen.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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