US-Medien:Aus der Bahn

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Das Klatschportal "Gawker" ist nach der Klage von Hulk Hogan am Ende. Im Gespräch mit der "Financial Times" erklärt der jetzt arbeitslose Chefredakteur Nick Denton seine Sicht auf die Dinge. Schuld an allem, da ist er ganz sicher, ist das Silicon Valley.

Von Willi Winkler

Nick Denton war einmal ein seriöser Journalist, der sich bei der Financial Times mit einem besonders unseriösen Thema beschäftigte, mit den Banken. Vor 13 Jahren gründete er Gawker, ein Enthüllungsmagazin fürs Internet-Zeitalter, das sich in bester journalistischer Tradition der Aufklärung verpflichtet sah, aber noch weniger den Klatsch verschmähte. Ein Video aus dem Schlafzimmer des Wrestlers Hulk Hogan brachte im Frühjahr das Ende von Gawker: wegen eklatanter Verletzung der Privatsphäre verurteilte ein Richter die Website-Betreiber zu einer Strafe von 140 Millionen Dollar. Vor zwei Wochen wurde Gawker versteigert, Denton ist fürs erste arbeitslos und muss neuerdings die U-Bahn nehmen.

Es musste ja so kommen, erläutert er seinem früheren Arbeitgeber jetzt bei einem Geschäftsessen, weil er seinen Autoren die "Freiheit ließ und sie ermutigte, ihre Meinung zu schreiben". Im Übrigen sieht er sich als Opfer von Silicon Valley. Sein Unternehmen sei zu laut, zu kritisch, ein einziges Ärgernis für die Milliardäre dort gewesen, erzählt er der Financial Times, und nur deshalb habe der Paypal-Gründer Peter Thiel Hogans ruinöse Klage finanziert. Die neue Freiheit erlaubt Denton, der sich wie einer der Anaracho-Syndikalisten im Spanischen Bürgerkrieg fühlt, einen ganz neuen Blick auf die Welt. Die Leute, die er in der New Yorker U-Bahn beobachtet, lässt der Aufsehen erregende Zusammenbruch seines Start-Ups offenbar ziemlich kalt. "Achtzig Prozent machen sich Gedanken darüber, wie sie durchkommen sollen, wenn sie demnächst ohne Arbeit sind. Oder sie sorgen sich darum, wie sie in dieser unglaublich teuren Stadt das Geld für die Miete aufbringen." Das sei eine ganz neue Perspektive für ihn, sagt Denton und setzt dann - so viel Gawker muss sein - seine Sonnenbrille auf.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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