US-Magazin "Wired" auf Deutsch:Das wird schon

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Das US-Magazin "Wired" erscheint an diesem Donnerstag erstmalig auf Deutsch. Dem Männergazin "GQ" beigelegt, will es Technik, Lifestyle, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur behandeln. Optik und Design sind gelungen. Der Rest übt noch.

Bernd Graff

Es ist ein wunderbar aufgemachtes Heft. Wirklich, das Layout der ersten deutschen Wired, die am heutigen Donnerstag der GQ beiliegt, sticht ins Auge. Übersichtlich wie attraktiv zugleich, betont groß aufgemachte Fotos an den richtigen Stellen, eine Bildstrecke zu Atomausstieg, Illustrationen, etwa zum Laufweg einer Kellnerin auf der Münchner Wiesn, sind hervorragend.

Seit heute im Kiosk, aber die passende App gibt's schon zum Download: das Cover der ersten deutschen Wired. (Foto: Condé Nast)

Es gibt eine insgesamt intuitive, nie verwirrende Leserführung: Das Heft ist gleichzeitig knallig wie stringent aufgemacht, mit abwechslungsreicher Mischung in den Details und in den Großformaten. Man findet sich sofort zurecht und es fühlt sich - auch im Wortsinn - gut an. Vorbildlich, was Art Direktor Markus Rindermann da in kurzer Zeit geleistet und aus dem Boden gestemmt hat. Chapeau!

Und nicht nur vorbildlich für Magazine, die sich dann ja doch auf den ersten Blick an eine dezidierte Klientel zu wenden scheinen, also an die Connaisseure unter den Geeks und die c't-gestählten Fachmagazin-Leser, die offenkundig seit Jahrzehnten mit einer Heftoptik leben können, die wie Baupläne für Industrie-Roboter auf das nötigste reduziert sind. Das ist schon mal durch und durch gelungen. Und man wünscht sich sofort dieses Magazin in dieser Aufmachung als festen Bestandteil des deutschen Marktes, als eigenständig zu erwerbendes Produkt. Das Layout hat nicht nur was, es ist nicht bloß neu, es ist richtig schön.

Blattmacherisch ist allerdings einiges zu verbessern. Wahrscheinlich ist es der insgesamt wahnwitzig kurzen Konzeptions- wie Produktions-Phase geschuldet, dass uns Picasso gleich zweimal in Titeln offeriert wird, dass ein "Begriff fällt", was sonst nur Wörter tun, dass ein Titel - Kalauer, komm raus! - einfach nur "Maßterplan" lautet, was blöddumm wie ein Rechtschreibfehler wirkt, obwohl klar ist, dass damit die Berichterstattung zum Bierhumpen auf der Münchner Wiesn, der Maß eben, neckisch überschrieben werden sollte.

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Die Rubriken, mein Gott, ja, sind aus dem Ärmel geschüttelt: "View", "Think", "Fetisch", "Dossier", "Play" und "Gute Antwort" sind Allerweltsbezeichnungen (und Fetisch meint nicht Fetisch, sondern Gadget) - zumal die Bildstrecke "AKW ade" der Rubrik "Play" zugeordnet wird, wohl weil sie ein Gedankenspiel bebildert. Sie hätte aber auch zu "Think" gepasst, vielleicht sogar besser, oder als Foto-Essay ein eigenes Dossier sein können. So etwas sind Lässlichkeiten. Das wird sich schütteln, wie man so schön sagt - vorausgesetzt, das Heft erscheint regelmäßig.

Geeks zählen "Geeks"

Denn vorab scheint nur eine Solo-Nummer im Oktober vorgesehen. Und, auch das merkt man dem Heft an: Es ist eine Punkausgabe nicht nur für die Leser, sondern auch für die werbetreibende Industrie, die diesen Augenschmaus sicherlich zur Überlegung vorgelegt bekommen wird, eigene Anzeigen in diesem satten Umfeld zu platzieren. Denn, was man etwa BMW für die Promotion, sprich: Anzeige seines "Megacity Vehicles" auf vier Seiten hat angedeihen lassen, entspricht nahtlos der opulenten Machart des Gesamtheftes, um nicht zu sagen: bis zur Unauffälligkeit unterschiedslos.

Chefredakteur Thomas Knüwer schreibt in seinem Editorial, dass man nicht blindem Zukunftsoptimismus verfallen gewesen sei, als man das Heft konzipierte. Außerdem stellt er die Frage, ob Deutschland sich überhaupt noch für Fortschritt entflammen könne. Das tut das Heft dann wirklich: Das Schwerpunkt-Dossier widmet sich auf fast 30 Seiten mutmaßlich den "Geeks", den im weitesten Sinne Irgendwie-Begeisterungsfähigen innerhalb ihrer Disziplinen.

Tatsächlich widmet sich das Dossier der "deutschen Angst" - mutmaßlich vor Vernetzung. Und darum zählt schon der nicht namentlich gekennzeichnete Vorspann-Artikel des Dossiers bei sueddeutsche.de nach, wie oft das Wort "Geek" hier in der Berichterstattung Verwendung fand. Offenbar neun Mal im letzten Jahr (wir zählen 19), was dem Autor wohl zu wenig erscheint und wohl auch exemplarischer Ausdruck für die German Angst sein soll. Was aber andererseits darauf hindeuten mag, dass man bei sueddeutsche.de und Süddeutscher Zeitung nicht "Geek" sagen muss, um Begeisterung zu meinen. Dieses Wort, das nur dazu, taucht 813 Mal im Angebot auf. Für alle, die nachzählen wollen.

Das Dossier selbst kommt ein wenig zu gravitätisch staatstragend daher - wohl, weil man ja das Land vor der ihm eigenen Angst erlösen will oder aber, weil man auf German Angst komm raus die Beherrschung eines hohen Tones demonstrieren muss. Insgesamt hätten die Profile von Begeisterten, die das Dossier dann ausmachen, also etwas weniger betulich beweihräuchert betextet werden müssen. Denn sie sind spannend zu lesen.

Die Kolumnen-Themen sind erwartbar, die Kolumnisten auch. Dass Jeff Jarvis dann Johannes Gutenberg als "Schutzpatron des Silicon Valley" vorstellen darf ... mei. Das passt schon. Ins Dossier. Zu Gutenberg gibt es indes nichts Neues. Zumal in diesem Porträt auch noch die inzwischen lächerliche Floskel vom "papierlosen Büro" fällt, wohl, um Gutenberg endgültig wieder in den Orkus erlösen zu können. Denn zum "Geek" taugt der Buchdruckerfinder eher nicht. Oder nur mit der Brechstange. Oder falls ja, dann sagt der Terminus endgültig nichts mehr aus.

Attestieren wir dem Heft also ein gewisses Lampenfieber und noch eine gewisse Schüchternheit. Dabei hat es seine Rolle gut gelernt und spielt seinen Part besser, als die auf Anhieb etwas hölzerne Textvorstellung vermuten lässt. Die fehlende Lässigkeit und Souveränität wird sich aber einstellen. Wenn das Heft denn regelmäßig erscheint und der Druck gewichen ist, erst einmal nur Schaufenster für das Mögliche zu sein.

Genau das aber hätten wir gerne. Glückwunsch.

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