US-Magazin:Vom Podium

Graydon Carter. (Foto: Charles Sykes/AP)

Nach 25 Jahren verlässt Graydon Carter die amerikanische "Vanity Fair", Klatschmagazin und Heimat für die kaum existente amerikanische Linke.

Von Willi Winkler

1990, da hatte er seine erste Milliarde noch gar nicht beisammen, war also bettelarm, fand Donald Trump einen Scheck über 0,13 Dollar in der Post. Es war die Probe darauf, wie geldgierig der Casino-Betreiber sein würde. Natürlich löste Trump ihn ein, und natürlich tratschte das Magazin Spy diese Schwäche sofort aus.

Trump blieb ein besonderer Liebling des Chefredakteurs Graydon Carter, der 1992 zu Vanity Fair wechselte. Dort entging ihm fast keine Halb- oder Ganz-Berühmtheit, wenn er bei der Oscar-Verleihung zur großen Party mit angeschlossenem Gruppenbild lud, das dann dem nichteingeladenen Leser mehr zum Ausklappen bot als das Brustbild in der Playboy-Mitte. Allenfalls der Leporello im "Don Giovanni" brachte es auf mehr Namen.

Gleichzeitig bildete ausgerechnet das Klatschmagazin, das mit Annie Leibovitz' Fotos auftrumpfte, das Podium für die kaum existente amerikanische Linke: Gore Vidal attackierte die Regierung, Christopher Hitchens konvertierte, Norman Mailer nahm es mit allen auf. Seinen Abschied, den der 68-Jährige am Donnerstag bekannt gab, hatte Carter hinausgezögert, weil er dem "kurzfingrigen Protzen" den Triumph nicht gönnen wollte, unangefochten im Weißen Haus zu regieren.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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