TV-Tipp:Mit Boromir in Waterloo

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Man kennt ihn aus "Game of Thrones" oder dem "Herrn der Ringe": Jetzt erklärt Sean Bean Geschichte. (Foto: Matt Frost/History Channel)

Düstere belgische Dörfer, die Durchschlagskraft von Kanonenkugeln und die Unzulänglichkeit von Musketen: Schauspieler Sean Bean lässt auf Sky den Schrecken des Krieges spürbar werden.

Von Joachim Käppner

Diesen Herrn kennt man doch? Nur, früher sah er etwas anders aus. Statt des breiten Schwerts der Truchsesse von Gondor trägt er jetzt Lesebrille und Gummistiefel. Na sicher: Sean Bean, Darsteller des Boromir im Film Der Herr der Ringe. Er steht im belgischen Matsch, durch eine Schlägerkappe vor dem Nieselregen geschützt, der auf das Schlachtfeld von Waterloo niedergeht.

In Großbritannien ist Sean Bean, 56, bekannt und beliebt als Darsteller des Richard Sharpe, eines Offiziers in den napoleonischen Kriegen. Ansonsten darf er gern den Schurken spielen wie bei James Bond oder den tragischen, an den eigenen Widersprüchen scheiternden Helden, der Größeren weichen muss wie zuletzt als Ned Stark in Game of Thrones oder eben Boromir. Hier nun, auf dem aus Sharpe vertrauten Feld von Waterloo, lernt der Zuschauer einen ganz anderen Bean kennen. Lässig und gut gelaunt, mit englischem Humor und noch englischerer Freude am leicht Grotesken. Und ein bisschen grotesk ist es schon, wenn Bean in cooler Lederjacke sich quasi auf das Schlachtfeld beamen lässt, wo sich am 18. Juni 1815 Napoleons Schicksal vollzog. Der einst mächtigste Mann Europas unterlag den Briten unter Lord Wellington und den Preußen des Marschalls Blücher, eine Ära war zu Ende.

Ein bisschen grotesk ist es schon, wenn Bean in cooler Jacke auf dem Schlachtfeld steht

Bean strolcht für den Geschichtskanal History an der Seite eines jungenhaften Historikers durch Lord Wellingtons Hauptquartier und düstere belgische Dörfer. Er testet bei der Royal Artillery die Durchschlagskraft von Kanonenkugeln (beängstigend) und überzeugt sich als Schütze selbst, wie wenig treffsicher die Musketen vor 200 Jahren waren (sehr beängstigend).

In Deutschland ist diese Form von Militaria-Nostalgie kaum denkbar, und das ist kein Fehler nach all dem Unglück, das deutsche Armeen im 20. Jahrhundert über Europa brachten. Die britische Perspektive ist eine gänzlich andere. Seit Beginn der Neuzeit ist ein Feldzug an der Seite vieler Verbündeter gegen eine bedrohliche Hegemonialmacht die typische Art des englischen Krieges - wie bei Waterloo. Lord Wellington, dessen Wachspuppe im Museum Sean Bean fröhlich inspiziert, war verbündet mit den Preußen, Niederländern und anderen, um Napoleon daran zu hindern, ein weiteres Mal nach der Macht in Europa zu greifen. Winston Churchill stand ziemlich genau vor 75 Jahren einer noch weit dunkleren Bedrohung gegenüber, allein, nach dem Verlust aller Verbündeten, ließ er Hitler 1940 wissen: "We shall never surrender", wir werden nie kapitulieren.

Nein, Bonaparte war nicht Hitler, natürlich nicht. Aber des Gefühl des Good War prägt bis heute den Blick der Briten auch auf die napoleonischen Kriege und erlaubt detailverliebte, spielerische Geschichtsbetrachtungen wie jene über Waterloo. Wer Geduld und Muße hat, sich darauf einzulassen, erkennt bald mehr als gebildetes Geplauder von Gentlemen, von denen etliche in historischen Uniformen stecken, Darsteller der beliebten Reenactments. Immer mehr zieht Bean den Zuschauer in den Schrecken hinein, der Krieg damals war und heute noch immer ist. Die Musketenkugel, auf eine Kunststofffüllung abgefeuert, zerfetzt alles in ihrem Weg. In Waterloo zertrümmerte sie Knochen und zerriss Gewebe, ein Leid, das kein Schlachtengemälde ausdrücken kann.

Bean selbst kommentiert das historische Geschehen nur wenig. Aber er lässt sich von einer älteren Dame das Tagebuch eines ihrer Vorfahren zeigen, der damals in Waterloo knapp davonkam: Matthew Clay, erst 18 Jahre alt, eines von sieben Kindern einer armen Familie, Infanterist bei den Scots Guards. Clay war dabei, als die Briten den Franzosen nicht wichen beim langen, mörderischen Kampf um eine Schlüsselstellung bei Waterloo, das befestigte Gehöft Hougoumont. Die Franzosen, die durch das Tor eindrangen und den Rückzug nicht schafften, wurden alle niedergemacht. "Wir sind wie die Schlachter", schreibt ein Soldat später über die "Szenen des Horrors" von Hougoumont. Clays Tagebuch aber ist zu entnehmen, dass er einen Menschen vor der Rache rettete, nämlich einen französischen Trommler, erst zwölf Jahre alt. Sean Bean liest das vor und sieht Clays Nachfahrin ernst an: "Ihre Familie kann stolz sein auf ihn." Und sie nickt. Eine menschliche Tat mitten in so viel Unmenschlichkeit.

Waterloo , Histor y (zum Beispiel über Sky), 20.15 Uhr.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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