TV-Jubiläum:Allheilkittel

Lesezeit: 1 min

Vor genau 30 Jahren ging die "Schwarzwaldklinik" im ZDF auf Sendung. Erinnerungen an ein anderes Land.

Von Christian Mayer

Es war ein anderes Land, eine andere Zeit, ein anderes Tempo. Der Kanzler hieß Helmut Kohl und die Autos, die in der alten Bundesrepublik hergestellt wurden, hatten noch Ecken und Kanten - wie der Audi 200, mit dem Chefarzt Klaus Brinkmann in der allerersten Folge der Schwarzwaldklinik vorfährt, eingebettet in einen opulenten Klangteppich, der Erkennungsmelodie der erfolgreichsten deutschen Arztserie ().

Vor genau 30 Jahren, am 22. Oktober 1985, lief die erste von 70 Folgen der Produktion von Wolfgang Rademann ( Das Traumschiff). Die Schwarzwaldklinik machte das Glottertal berühmt und traf von Beginn an den Geschmack des Massenpublikums, das sich gerade an die Existenz privater Fernsehsender gewöhnt hatte, aber mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten aufgewachsen war. Im Grunde war die Schwarzwaldklinik wie ihr Sender, das ZDF: berechenbar, auf Harmonie bedacht und bereit, auch noch den letzten Zuschauer auf seiner Reise in den idyllischen Südwesten mitzunehmen, in eine nicht ganz heile Welt der Halbgötter in Weiß. Der von Klausjürgen Wussow mit sonorer Autorität und leisem Weltschmerz gespielte Klaus Brinkmann leidet daran, dass er nicht immer das letzte Wort hat. Sein Medizinersohn Udo (auf sehr schöne Weise dargeboten von Sascha Hehn) leidet daran, dass er zu viele Frauen haben will und haben kann. Die tüchtige Schwester Christa (Gaby Dohm), die zur Ärztin aufsteigt, leidet an der Eitelkeit und Unberechenbarkeit ihrer männlichen Kollegen.

Ach, wie herrlich waren die Zeiten, als man bei der Arztprüfung im ZDF noch Fragen gestellt bekam wie die nach einer seltsamen neuen Sache: Laktoseintoleranz. Wie gesagt: Es war 1985, bis zu 15 Millionen Zuschauer schalteten ein, wenn ganz ohne Computer operiert wurde. Aber noch immer gilt die Weisheit von Professor Brinkmann: "Wir Ärzte können nur Krankheiten besiegen, nicht den Tod. Die Menschen wissen das auch, aber sie wollen's nicht glauben."

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: