Theodor-Wolff-Preis:Aus der Ferne

Lesezeit: 2 min

Beste Lokalreportage: Tagesspiegel- Redakteurin Maris Hubschmid. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Maris Hubschmid wurde für ihre Lokalreportage geehrt, Michael Jürgs für sein Lebenswerk. Auch Autoren von Süddeutscher Zeitung und SZ-Magazin erhielten Auszeichnungen.

Von Julian Erbersdobler

"Ich hätte Sie alle, euch alle, gern noch mal gesehen. Ging leider nicht." Zwei der Sätze, die Michael Jürgs nach Berlin gemailt hatte. Dorthin, wo er wegen seiner schweren Krankheit nicht sein konnte, am Mittwochabend, an dem er mit dem Theodor-Wolff-Preis des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Also las Springer-Chef und BDZV-Präsident Mathias Döpfner auf der Bühne dessen Zeilen vor.

Michael Jürgs, 74, war unter anderem Chefredakteur von Stern und Tempo, schrieb später Biografien, etwa über Romy Schneider, Axel Springer und Günter Grass. Die Laudatio hielt Michael Naumann. Der frühere Kulturstaatsminister zitierte, was Jürgs ihm vom Krankenbett aus erzählt hatte: "Mein nun tatsächlich letztes Buch habe ich noch geschafft, bevor ich wieder in die Klinik musste." Der Titel: "Post mortem. Was ich nach meinem Tod erlebte und wen ich im Jenseits traf." Es soll demnach im September erscheinen.

Neben dem Preis für das Lebenswerk wurden im Kulturzentrum "Radialsystem" in Berlin-Friedrichshain fünf weitere Auszeichnungen vergeben. Marius Buhls Text "Bis zum Letzten" war für die Jury die beste "Reportage Überregional". Er war erschienen im SZ-Magazin und erzählt die Geschichten von Marathonläufern, die ganz hinten starten. Menschen, denen es weniger um die Zeit geht, als darum, nicht von dem Auto überholt zu werden, das die Langsamsten einsammelt.

In der Kategorie "Thema des Jahres" gewann Andrian Kreye, Leiter des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung. In "Berührungspunkte" nahm er sich die Künstliche Intelligenz (KI) vor. Kreye besuchte Apokalyptiker, aber auch euphorische Wissenschaftler. Der Jury gefiel besonders der unaufgeregte und damit untypische Zugriff auf das Thema. "KI wird nie mehr sein, als die Karaokemaschine menschlicher Intelligenz", schreibt Kreye an einer Stelle.

Das überregionale Meinungsstück des Jahres kommt von taz-Autor Daniel Schulz. In "Wir waren wie Brüder" berichtet er über seine ostdeutsche Jugend. Schulz ist vor Neonazis weggelaufen und war mit Rechten befreundet. Wie ging das zusammen und was hat sich seitdem geändert? Mit diesen Fragen setzt sich der Reporter auseinander.

Gregor Peter Schmitz bekam für seinen Essay "Heimat-Schutz" den Preis für die beste "Meinung lokal". Darin beschäftigt sich der Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen mit den wachsenden Kluften in Deutschland. Die Hauptstadt und der Rest der Republik, Stadt und Land. Seine Sorge: Wenn es so weiter geht, drohen amerikanische Verhältnisse.

Die Tagesspiegel-Redakteurin Maris Hubschmid recherchierte in einem Männerwohnheim für Alkoholiker im Berliner Stadtteil Kreuzberg die beste Lokalreportage. Die Bewohner, die dort leben, dürfen trinken, so viel sie wollen. Was gefährlich nach einer Betroffenheitsgeschichte klingt, überrascht. Maris Hubschmid schreibt über einen "wunderbaren Ort". "Ihr Leben lang haben diese Männer andere Menschen enttäuscht - oder sich selbst", heißt es im Text. "Hier schließlich, am Ende eines langen Weges, formuliert die Gesellschaft keine Erwartungen mehr an sie."

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: