Streit um US-Report:Klimasünde

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Amerikanische Forscher geben neues Material über den Klimawandel an die "New York Times", die es ihren Lesern als exklusiv anpreist. Jetzt wirft ihr die "Washington Post" vor, Mist gebaut zu haben. Was hinter dem Streit steckt.

Von Patrick Illinger

Die angesehene Washington Post wirft der mindestens so angesehenen New York Times vor, Mist gebaut zu haben. Das Konkurrenzblatt sei eines "Vollversagens schuldig", so könnte man die von der Post verwendete Wendung "guilty of large screw-up" übersetzen. Ein seltener Vorgang in der Medienwelt.

Was war geschehen? Die Times hatte am Dienstag eine mehr als 500-seitige wissenschaftliche Zusammenfassung amerikanischer Klimaforscher ihren Lesern als exklusives Material verkauft - gepaart mit einem Bericht über die Sorge der Wissenschaftler, wonach die Trump-Regierung die Inhalte zensieren oder unterdrücken könnte. Darüber berichtete auch die Süddeutsche Zeitung. Tatsächlich war der zugrunde liegende Bericht, beziehungsweise dessen jeweils aktuelle Fassung, im Prinzip seit einigen Monaten im Internet verfügbar. Auf diese Tatsache wies die Times tags darauf in ihrer Korrekturspalte hin.

Überverkauft, nennt man das in der Medienwelt, und nicht nur die Entrüstung des Konkurrenzblatts ist groß, im Internet ist die Empörung all derer losgebrochen, die immer schon der Ansicht waren, die New York Times berichte Fake News. Dabei gerät völlig aus dem Blick, dass die Inhalte des im Lauf der Zeit aktualisierten Klimareports korrekt berichtet wurden, ebenso wie die Sorge der beteiligten Forscher. Tatsächlich ist der handwerkliche Fehler der Times nüchtern betrachtet überschaubar: Kein anderes Medium hatte zuvor über die Erkenntnisse der Forscher und den Fortschritt ihres umfangreichen, vom Kongress beauftragten Reports berichtet. Insofern hatte die New York Times einen Scoop. Doch bleibt der Makel, dass das Material nicht, wie die Times behauptete, zugespielt wurde, sondern mit einigen Kenntnissen im Netz zu finden gewesen wäre.

Dass die Inhalte stimmen, wird von den Gegnern ignoriert

Vermutlich haben sich Klimaforscher an das Blatt gewandt und versucht, ihre Ergebnisse an die Öffentlichkeit zu bringen, bevor die US-Regierung am 18. August über ihre Billigung des Berichts entscheidet. Die Erkenntnisse über zunehmende Erwärmung der Erdatmosphäre, den Meeresspiegelanstieg sowie künftige Dürren und Fluten sind erschreckend und kollidieren mit der Haltung der Trump-Regierung, die den Klimawandel im Wesentlichen leugnet. Der Chef der Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, gilt als radikaler Gegner der Klimaforschung. Ausgerechnet er wird maßgeblich darüber entscheiden, ob der Report in der aktuellen Form - oder überhaupt - veröffentlicht wird.

Trumps Regierung, seine Anhänger sowie Klimaleugner nutzen die Affäre nun, um ihre Kritik an der Times zu bekräftigen. Eine Lawine an Twitter-Mitteilungen lässt wissen, die Geschichte sei schlicht "falsch" gewesen. Dass tatsächlich nur die Verpackung zu üppig geriet, aber die Inhalte stimmen, wird geflissentlich verschwiegen oder übersehen. Die übertrieben dargestellte Exklusivität des Materials ist nun ein Einfallstor für alle, die der Zeitung generell falsche oder tendenziöse Berichterstattung nachsagen. Dass das Konkurrenzblatt aus Washington mit ungewöhnlich aggressivem Tonfall einstimmt, wird der Reputation aller klassischen Medien zusätzlich Schaden zufügen. Bei den Kollegen der Post ist offenbar auch eine Portion Wehleidigkeit im Spiel.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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