Streaming:Befehl ist Befehl

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Die Kriegs-Satire "Catch-22" von 1961 wird als sechsteilige Serie vom amerikanischen Videoportal Hulu neu aufgelegt und folgt dem gleichen Gagmuster wie eine Militärserie, die schon 35 Jahre alt ist.

Von Benedikt Frank

Rauch durchdringt die Luft, ein Soldat stolpert über das Flugfeld, nackt und blutverschmiert. Sein Panikschrei wird abgeschnitten, dann folgt die Vorgeschichte zu dieser Szene. Der Soldat ist Captain John Yossarian, die Hauptfigur aus Joseph Hellers 1961 veröffentlichter Satire "Catch-22". Hulu verfilmt das Werk in einer Miniserie mit sechs Folgen neu, produziert von George Clooney, der auch eine Nebenrolle spielt.

Das amerikanische Videoportal Hulu hatte zuletzt großen Erfolg mit der Serienadaption des Romans "The Handmaid's Tale", der auf Deutsch unter dem Titel "Der Report der Magd" erschienen ist. Die Aktualität dieser Serie ergab sich auch, weil sie sich wunderbar als Warnung vor der Realität der evangelikalen Rechten in den USA heute verstehen lässt, mit ihrer Vorstellung von Frauen als Gebärsklavinnen. In der militärischen Männerwelt von Catch-22 kommen Frauen nur als Prostituierte oder Krankenschwestern vor, doch in anderen Motiven ähneln beide Serien einander: Sie handeln vom Kampf um ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit, der letztendlich erfolglos bleibt. Joseph Hellers Antikriegssatire wurde seinerzeit zum Hit, vielleicht auch, weil er während des Vietnamkriegs erschien.

Yossarian will sich vom Dienst in einem Bomber des Zweiten Weltkriegs drücken, weil ihm sein Leben lieb ist. Gerade weil er nicht lebensmüde ist, erklärt man ihn aber für nicht geisteskrank und folglich diensttauglich. Im Roman ist dieses Catch-22 getaufte Paradox die Basis für viele wütende Beobachtungen. Heller beschreibt eindrücklich die Absurditäten der militärischen Bürokratie und das Ausgeliefertsein der Befehlsempfänger ebenso wie traumatische Kriegserlebnisse. Verfilmt wurde der Roman bereits 1970, als Schauspieler traten unter anderem Art Garfunkel und Orson Welles auf. Der große Leinwanderfolg wurde im gleichen Jahr allerdings nicht Catch-22 sondern MASH zuteil, es folgte die bekannte Serie, die neun Jahre lang lief: M*A*S*H, nicht Catch-22, prägte folglich das Bild von Krieg und Soldaten im Fernsehen. Auch weil bei M*A*S*H das Lachen mit der Zeit immer öfter ernsteren Tönen wich.

Die neue Serienverfilmung von "Catch-22" versucht sich an einer verspäteten Korrektur der Tatsache, dass Joseph Heller zwar der bessere Roman gelungen war, als dem Autor der MASH-Vorlage Richard Hookers, die Adaption seines Werks aber nie so viele Zuschauer erreichte. Catch-22 als Serie zähmt nun zunächst einmal Hellers Roman, indem sie dessen Handlung entwirrt und in eine chronologische Reihenfolge bringt. Wenn der Krieg immer wieder die Albernheiten des Lagerlebens unterbricht, ist das heute deutlich brutaler inszeniert, als es noch im Free-TV der 70er möglich gewesen wäre. Die Wucht, mit der Joseph Hellers Roman einst den Zeitgeist traf, entfaltet sie allerdings nicht. Zu sehr setzt sie auf Militärkomödien-Standards, wie M*A*S*H sie schon vor über 35 Jahren etabliert hatte.

Catch-22 , Amazon-Channel Starzplay.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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