Sportübertragungen:Gemeinsam stark

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Treffer im TV: Pia Wolbring im Recurve-Wettbewerb beim Bogenschießen. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Wie Diskuswerfen, Bogenschießen und Kanufahren am Wochenende zum großen Quotenerfolg im deutschen Fernsehen wurden.

Von Martin Schneider

Am Ende motzte nur Christoph Harting. Als "letzten Erpressungsversuch" des Verbandes bezeichnete der Diskus-Olympiasieger die deutschen Meisterschaften, er trat lustlos an, warf drei ungültige Versuche und meinte, es könne ihm egaler nicht sein. Er sagte: "Es gibt wenig Unbedeutenderes als einen deutschen Meistertitel." Christoph Harting, bekannt für unkonventionelle Ansichten, war aber sehr allein mit dieser Meinung.

Am Wochenende gingen in Berlin zehn deutsche Sport-Meisterschaften zu Ende, die Veranstaltung wurde als "Finals" bezeichnet und alle Akteure - von Christoph Harting mal abgesehen - überschlugen sich mit Lob und Begeisterung. Die TV-Quoten: stark. Die Besucherzahlen vor Ort: ordentlich. Das Wetter: prächtig. Alle Sportler außer Christoph Harting: sehr glücklich über das Interesse.

20 Stunden lang übertrugen ARD und ZDF - und die öffentlich-rechtlichen Sender waren überhaupt erst der Grund, warum die Sportveranstaltung in der Form stattfand. Nationale Titelkämpfe im Schwimmen, in der Leichtathletik, erst recht im Kanu, Bogenschießen oder Modernen Fünfkampf interessieren einzeln zu wenige Menschen - also packt man sie zusammen, koordiniert Ort und Zeitpläne und fertig ist die Sendestrecke.

Der Wintersport organisiert sich seit Jahren so und verhilft über die Zugpferde Biathlon und Ski alpin auch Sportarten wie der Nordischen Kombination zu leidlicher Bekanntheit. Der Sommersport hat viel länger gebraucht, um zu begreifen, dass er medial nur gemeinsam gegen die Übermacht des Männer-Fußballs eine Chance hat. Im vergangenen Jahr gab es mit den "European Championships" in Berlin und Glasgow einen erfolgreichen ersten Versuch.

Seit Fußball in der ARD und im ZDF seltener stattfindet, setzen die Sender auf andere Sportarten

In der Spitze schauten am Wochenende 2,27 Millionen Zuschauer zu, die Leichtathletik holte mit 15,1 Prozent Marktanteil am Samstag den besten Wert, im Durchschnitt waren es 1,48 Millionen Zuschauer und ein Marktanteil von 13 Prozent. Das liegt bei der ARD über, dem ZDF nur ganz knapp unter dem Jahres-Sendeschnitt von 2018.

Zum Vergleich: Biathlon schauen sich ungefähr vier bis fünf Millionen an, die Bundesliga- Sportschau mehr als fünf, die Fußball-WM der Frauen sieben bis acht - und entscheidende Spiele der Männer-WM gucken mehr als 25 Millionen Deutsche. Dennoch: Wenn man bedenkt, dass viele der gezeigten Sportarten sonst kaum Fernsehzuschauer finden, sind die Quoten der Finals überraschend hoch. "Die Zahlen schreien nach einer Wiederholung", jubelte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann .

Die Sportredaktionen von ARD und ZDF haben auch ein begründetes Eigeninteresse daran, dass das Event "funktioniert", denn der Fußball findet bei ihnen immer weniger statt, die Champions League läuft komplett im Pay-TV, die EM-Qualifikation der Nationalelf bei RTL. Da braucht man Ersatz und vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass die Kommentatoren während der Übertragung ein bisschen zu oft betonten, was das für eine tolle Veranstaltung sei.

© SZ vom 06.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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