Rundfunk in Österreich:Angst vor den Kanalreinigern

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Steht am Küniglberg die Revolution vor der Tür? (Foto: Thomas Ramstorfer/ORF)

Im ORF sollen künftig dem Generaldirektor unterstellte Manager bei der TV-Information mitbestimmen. Die Redaktion fürchtet Kompetenzwirrwarr und politischen Druck auf die angesehene "ZIB 2".

Von Cathrin Kahlweit

Für diesen Donnerstag ist am Küniglberg eine Revolution angekündigt, zumindest könnte es eine werden. Der Küniglberg ist das, was der Lerchenberg für das ZDF ist - Zentrale und Herz des ORF, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der in Österreich nach wie vor eine Art Monopolstellung hat. Einige hundert Mitarbeiter werden zur Redakteursversammlung erwartet, denn es geht drunter und drüber. Zum einen wird heftig umgebaut, was, wie immer und überall, teurer wird und länger dauert als geplant, zumal, kleiner Treppenwitz im ORF-Labyrinth am Wiener Stadtrand, bei der Planung zwei Fernsehstudios vergessen wurden.

Viel wichtiger - und bedrohlicher - allerdings erscheinen vielen Mitarbeitern die aktuellen Reformpläne von Intendant Alexander Wrabetz, der in Wien Generaldirektor heißt. Der hatte vor seiner Wiederwahl 2016 eine neue Struktur und neue Hierarchien versprochen, unter anderem: zwei direkt bei ihm angesiedelte, so genannte Channel-Manager für ORF 1 und ORF 2, denen - nicht weisungsgebundene - Chefredakteure unterstellt wären. Diese Senderchefs sollen mitbestimmen können, wie die Produkte aussehen, die ihnen die TV-Information liefert - allerdings nicht auf redaktioneller Ebene. Parallel gibt es aber weiter eine Programmdirektorin, deren Kompetenzen ausgehöhlt würden. Klingt kompliziert, ist es auch, zumal noch niemand so genau weiß, wer wen kontrolliert und wer wem was zu sagen hat. Die Redaktion fürchtet Kompetenzwirrwarr, eine Minderung der Qualität, einen Durchgriff auf die Informationssendungen - und parteipolitisch motivierte Besetzungen der neuen Machtpositionen.

Die Channel-Manager dürften keine inhaltlichen Anweisungen geben, konterte Wrabetz die Kritik

Zwei Namen werden auf dem Küniglberg quasi stellvertretend für den Konflikt genannt, der sich da aufschaukelt: Armin Wolf und Roland Brunhofer. Der eine ist der vielfach preisgekrönte, von allen Parteien gleichermaßen gefürchtete Moderator des Nachrichtenjournals ZIB 2; jüngst hat er den Hanns-Joachim-Friedrichs-Sonderpreis für kritische Politikerinterviews bekommen. Der andere ist der nur Insidern bekannte Ex-Chef des Salzburger Landesstudios, der auf einem SPÖ-Ticket Karriere gemacht hat. Als in Salzburg die ÖVP die SPÖ an der Regierung ablöste, wurde Brunhofer nach Wien versetzt, wo er derzeit als Mitglied einer "Transformer-Gruppe" nach Sparmöglichkeiten sucht.

Brunhofer, ein Machertyp, den Kollegen als "Grobian" bezeichnen, hat nie hinter dem Berg gehalten mit seiner Meinung, dass Wolf weg müsse. Vertrauenswürdige Quellen zitieren ihn damit, die Interviews in der ZIB 2 glichen Hinrichtungen, das sei unerträglich. Brunhofer wird, wenn Wrabetz seine Pläne umsetzt, als neuer "Channel-Manager" von ORF 2 gehandelt. Gegenüber der SZ dementiert Brunhofer, dass er sich je öffentlich so geäußert habe und betont, die journalistische Qualität in der ORF-Information sei bestens. Er wisse ohnehin nichts von seiner geplanten Bestallung als Channel-Direktor, (im ORF-Slang: Kanalreiniger), Wrabetz habe ihn nicht gefragt. Wenn er etwa mit radikaler Kritik an Kollegen und dem Satz zitiert werde, man müsse die Information unter Kontrolle bringen, so seien das "Mythen", die wohl eher die Wünsche anderer Menschen spiegelten. Er kenne Armin Wolf gar nicht und würde sich so ein Urteil nicht anmaßen. ORF-Mitarbeiter allerdings fürchten sehr wohl, dass es einen - im Umgang der Politik mit dem Sender nicht unüblichen - Versuch geben könne, die Informationssendungen über durchgriffsfreudige Manager in Griff zu kriegen. Armin Wolf warnt vor einem politischen Zugriff auf Redaktionen, die unabhängig und zu kritisch berichteten: "Ich hatte wirklich gehofft, diese Zeiten wären vorbei."

Wrabetz betonte angesichts der wachsenden Kritik zuletzt immer wieder, die Channel-Manager hätten den Redakteuren keine inhaltlichen Anweisungen zu geben, die Sorge, dass da einer durchregieren werde, sei unberechtigt. Mit der Süddeutschen Zeitung wollte er vor der Redaktionsversammlung nicht reden. ORF-Sprecher Martin Biedermann begründet das unter anderem damit, dass die Details noch in Arbeit seien. Andernorts und auch im ORF-Rundfunk habe sich die Channel-Struktur jedenfalls bewährt, Wrabetz habe den Stiftungsrat bei seiner Wiederwahl ja gerade überzeugt, weil das Konzept für mehr Pluralismus stehe. Und die Debatte sei wohl eher vorgeschoben: Letztlich gehe es um die angekündigten Sparmaßnahmen im Haus; immerhin sollen 300 Stellen nicht mehr nachbesetzt werden.

Redakteurssprecher Dieter Bornemann lässt das nicht gelten. Dem Standard sagte er mit Blick auf die geplante Strukturreform und die Personalpläne: Jemand, der sage, die TV-Information sei an der "Zersetzung der Demokratie" beteiligt, könne nicht "ernsthaft für die Führung des wichtigsten ORF-Informationskanals in Betracht gezogen werden". Brunhofer betont, das habe er auf den Journalismus allgemein gemünzt, nicht auf den ORF. Dem droht nun - durch die Hausmacht Redaktion - ein Kampf um die Macht im Haus.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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