Rezension:Laib und Leben

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Morgens Salzlake, abends Champagner: In "Königin der Nacht" spielt Silke Bodenbender eine Biohof-Bäuerin, die sich prostituiert, um die Pleite des Hofs abzuwenden. Der Höhepunkt des ARD-Films ist überraschend, die Moral der Geschichte ist es nicht.

Von Karoline Meta Beisel

Inga bietet auf dem Wochenmarkt ihre Ware an. Der Käse ist "so würzig wie die Verkäuferin!", onkelt ein Kunde. "Heißt das, sie wollen ein Stück?", fragt Inga. "Am liebsten den ganzen Laib", sagt der Mann.

Der Käse vom eigenen Bauernhof geht gut, aber Inga und ihr Mann sind trotzdem hoch verschuldet. Ihr Traum vom Selbstversorgerdasein droht zu platzen. Bei RTL wäre das der Moment, in dem Peter Zwegat auf den Hof geritten käme, der Schuldnerberater, und schon bald wäre die Misere zumindest auf Flipcharts notiert und alles ein bisschen besser. Solche Hilfe bekommen Inga und ihr Mann Ludwig in dem Film Königin der Nacht nicht, irgendwann reicht das Geld auf dem abgelegenen Schwarzwaldhof des Paares nur noch für Strom oder für Tierfutter, nicht mehr für beides. Als Inga das Angebot bekommt, künftig nicht nur Käse, sondern auch ihren Leib zu verkaufen, sagt sie zu: Sie heuert bei einem Escortservice an.

Königin der Nacht (Regie: Emily Atef; Buch: Katrin Bühlig und Burt Weinshanker) basiert auf einer wahren Begebenheit, und jedenfalls zu Beginn des Films sieht es auch noch so aus, als sei Ingas neuer Job für alle Beteiligten eine gute Idee. Morgens melkt die Bauersfrau (Silke Bodenbender) die Kühe und reibt den Käse in Salzlake ein. Abends tauscht sie Arbeitsstiefel gegen High Heels und trinkt in der Stadt Champagner mit Männern, die für ihre Gesellschaft bezahlt haben. Von ihrem Lohn kann ihr Mann Ludwig (Peter Schneider) die Raten für den Traktor abbezahlen.

Inga schläft auch mit den Männern. Sie gibt sich den Namen "Lilith", nach der mythischen Figur, in der manche einen Gegenentwurf zu Eva aus der Bibel sehen. "Heißt das, du verdienst dann mehr? Dann ist es doch ein Aufstieg", sagt die Teenie-Tochter, die über die Details des neuen Jobs im Unklaren gelassen wird.

Eine Weile geht das Arrangement gut. Ludwig findet aber bald: zu gut, was er Inga mit einer eher bäuerlichen Variante von Feingefühl spüren lässt: "Was sind denn das für Menschen, die über 2000 Euro ausgeben, um zwei Tage mit meiner Frau zusammen zu sein?" Charmante Männer, in der Regel. Dass Inga unter ihrem neuen Job aufzublühen scheint, macht die Situation für Ludwig nicht leichter.

Am Anfang ist alles furchtbar einfach, am Ende alles furchtbar

Aber auch beim Zuschauer stellt sich irgendwann ein Störgefühl ein. In der ersten Hälfte des Films erscheint Ingas Entscheidung beinahe zu leicht - zum Beispiel fehlt die Szene, in der sie das erste Mal Sex hat mit einem der Fremden, sodass man sich gar nicht erst die Frage stellen muss, wie es ihr dabei wohl geht: gut, schlecht, beides? Später läuft dann alles furchtbar, aber bisweilen eben auch etwas klischeehaft schief: Besitzergreifender Freier, saufender Mann, und dann noch das Gerede.

Der Konflikt, der den Höhepunkt des Films markiert, ist dann doch überraschend. Die Moral der Geschichte aber ist es nicht: Prostitution ist nicht gut für die Ehe.

Königin der Nacht , ARD, 20.15 Uhr.

© SZ vom 01.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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