Reporter ohne Grenzen:Hausbesuch

Wenn die Neonazis vor der Tür stehen: Eine Diskussion in Berlin über den Stand der Pressefreiheit in Deutschland offenbart, dass Journalisten längst nicht nur in Kairo, Moskau oder Peking in der Ausübung ihres Berufs behindert werden.

Von Ruth Eisenreich

Für die Pressefreiheit kämpfen, das muss man vielleicht in Kairo, Moskau oder Peking - aber doch nicht in Berlin oder Dortmund. Oder? Ganz so einfach ist die Sache nicht. Das zeigte sich am Dienstag, dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, bei einer Diskussion der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen in Berlin. Im ROG-Pressefreiheitsranking ist Deutschland innerhalb eines Jahres von Platz 12 auf 16 abgerutscht. Das liege unter anderem daran, dass Behörden Journalisten immer wieder Auskünfte verweigerten, erklärte ROG-Vorstandsmitglied Gemma Pörzgen; auch die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen den Blog netzpolitik.org hätten eine Rolle gespielt. Der wichtigste Grund aber seien die immer häufigeren Übergriffe auf Journalisten bei fremdenfeindlichen Demonstrationen.

Wie massiv Rechte in Deutschland Journalisten bedrohen, schilderte Peter Bandermann, der seit Jahren für die Ruhr Nachrichten über die Extremistenszene in Dortmund berichtet. "Neonazis suchen uns an unserer Wohnanschrift auf, veröffentlichen private Daten im Internet, mein Kfz-Kennzeichen oder meine Joggingstrecke zum Beispiel", erzählte er. "Mir wurden Waffen- und Munitionskataloge nach Hause geschickt, es gab Briefe an meine Frau und meine Tochter." Die Täter wollten Journalisten das Gefühl vermitteln, dass sie beobachtet werden. In vielen Ländern, sagt Bandermann, würden Journalisten vom Staat verfolgt; "in Deutschland gehen in Freiheit lebende Bürger gegen ihre Journalisten vor".

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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