Rechtsstreit:Zu viel Text?

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Die Debatte um die Grenzen des öffentlich-rechtlichen Medienangebots geht weiter: Die Justiz muss abermals prüfen, ob die "Tagesschau"-App in der bestehenden Form zulässig ist - oder mit ihren Texten unberechtigt der Presse Konkurrenz macht.

Von Wolfgang Janisch

Gewonnen haben die Zeitungsverleger den Streit um die Tagesschau-App noch nicht - aber sie haben einen wichtigen Etappensieg errungen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat an diesem Donnerstag ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln (OLG) aufgehoben, das die App im Dezember 2013 gebilligt hatte. Nun muss das OLG prüfen, ob das App-Angebot "presseähnlich" ist. Also ob der gebührenfinanzierte Norddeutsche Rundfunk mit seinem digitalen Angebot im Garten der Presseverlage gräbt - was ihm nach dem Rundfunkstaatsvertrag verboten ist.

Denn grundsätzlich dürfen die öffentlich-rechtlichen Anstalten - weil gebührenfinanziert - nicht im Terrain der Printmedien wildern. "Nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote sind nicht zulässig", heißt es im Rundfunkstaatsvertrag von 2009 - eine Schutzklausel für die Verlage, die in Zeiten sinkender Printauflagen ihre Gewinne auch in digitalen Angeboten suchen müssen. "Wo sollen wir die Ressourcen hernehmen, wenn gebührenfinanzierte Sender in Pressedomänen vorstoßen?", fragte Verlegeranwalt Axel Rinkler in der BGH-Verhandlung.

NDR-Anwalt Thomas von Plehwe hatte vor dem BGH argumentiert, die App sei der Kontrolle durch die Zivilgerichte von vornherein entzogen, weil sie behördlich genehmigt sei. Tatsächlich hatte das mit der App deckungsgleiche Online-Portal "tagesschau.de" vor fünf Jahren den sogenannten "Drei-Stufen-Test" bestanden und ist damit zumindest im Prinzip vom öffentlich-rechtlichen Auftrag abgedeckt. Das reicht, fand das OLG Köln.

Der BGH korrigierte die Kölner Richter in diesem Punkt. Genehmigt sei lediglich das Konzept - "die konkrete Umsetzung im Einzelfall darf überprüft werden", sagte der Senatsvorsitzende Wolfgang Büscher. Die Verleger hatten ihre Klage denn auch gegen das Angebot eines konkreten Tages im Juni 2011 gerichtet. Für die Neuauflage des Prozesses heißt dies: Das OLG müsse prüfen, ob die App "presseähnlich" ist. "Das ist der Fall, wenn bei diesem Angebot der Text deutlich im Vordergrund steht", sagte Büscher. Ausgenommen von der Prüfung bleibt all das, was die Anstalten fraglos online stellen dürfen, nämlich ihr multimediales Begleitmaterial zu den Tagesschau-Sendungen - eigens gekennzeichnet mit Kamera- oder Lautsprecherlogos.

Damit ist der Prozess bei den zentralen Fragen angelangt: Wirft sich der NDR mit seiner App in einen Wettbewerb, in dem er nichts verloren hat? Oder gehört, was er online um sein Kernangebot herum garniert, zum medialen Auftrag? Der Rechtsstreit, darf man vermuten, wird nicht in Köln zu Ende gehen. Denn letztlich steht Rundfunkfreiheit gegen Pressefreiheit - ein Fall für das Bundesverfassungsgericht.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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