Rechtsstreit:Verdacht im Chat

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Die Wochenzeitung "Kontext" und die AfD streiten vor Gericht: Hat ein Mitarbeiter der Partei aus dem Stuttgarter Landtag in einem privaten Chat rechte Hetze verbreitet? "Kontext" sagt ja und legt Protokolle vor. Der Mann bestreitet es.

Von WOLFGANG JANISCH

Seit die AfD in die Parlamente eingezogen ist, stellen sich Fragen wie diese: Wie moderat oder wie aggressiv ist die neue Partei? Welche Netzwerke unterhält sie im rechtsextremen Lager? Und wie reden AfDler, wenn die Öffentlichkeit nicht zuhört? Der letzten Frage hat sich jüngst die Stuttgarter Wochenzeitung Kontext zugewandt, ein Blatt mit "Arsch in der Hose", stand anerkennend in der taz - in der findet man Kontext am Wochenende. Kontext hat brisantes Material, mit dem es die AfD-Sprache hinter den Kulissen anschaulich machen will: Chatprotokolle, die, so versichert die Redaktion, von einem parlamentarischen Mitarbeiter zweier AfD-Abgeordneter im Stuttgarter Landtag stammten. Der bestreitet das entschieden. Es handle sich dabei, so Kontext, um eine vier Jahre dauernde, unter Pseudonym geführte Korrespondenz mit AfD-Personal, NPD-Funktionären und anderen Vertretern der rechtsextremen Szene. Sollte der Autor im Chat tatsächlich der AfD-Mitarbeiter sein, dann würde im Stuttgarter Landtag ein übler Ausländerfeind und Antisemit arbeiten, der gern mit "Sieg Heil" grüßt. Seine Idole: Hitler und Anders Breivik.

Hat ein AfD-Mitarbeiter aus dem Stuttgarter Landtag rechte Hetze im Chat verbreitet? Er bestreitet es

Weil Kontext Teile der Korrespondenz öffentlich machte und dabei den Mitarbeiter namentlich nannte, hat sein Anwalt Christian Conrad beim Landgericht Mannheim eine einstweilige Verfügung beantragt. In der Verhandlung an diesem Donnerstag versuchte der Vorsitzende Richter Matthias Stojek noch, die Beteiligten zu einer einvernehmlichen Lösung zu überreden. Immerhin habe der Mitarbeiter an Eides statt versichert, die Äußerungen stammten nicht von ihm - da drohten strafrechtliche Konsequenzen, sollte sich seine Urheberschaft am Ende doch herausstellen. Aber der richterliche Konsenskurs scheiterte. Es wurde gestritten. Zentrale Frage des Prozesses: Lässt sich nachweisen, dass der Mitarbeiter dieses Zeug wirklich geschrieben hat? Anna Hunger, Autorin des Textes, hat daran keinen Zweifel: In den Tausenden Seiten fänden sich eine Ausweiskopie des Mitarbeiters, seine Mailadressen und IBAN-Nummern, IP-Adressen aus dem Landtag und sogar Urlaubsfotos, die ihn mit seiner Freundin zeigten. Kontext-Anwalt Markus Köhler hat dem Landgericht eine Kisten mit zehn Leitz-Ordnern zukommen lassen - die Chatprotokolle, justizgerecht ausgedruckt. Conrad konterte in der Verhandlung, es handle sich um eine HTML-Datei, nicht schwerer zu manipulieren als ein Worddokument. Richter Stojek stellte denn auch in Aussicht, in einem Hauptsacheverfahren müsste wohl ein IT-Gutachten her.

Über die inhaltliche Qualität der Protokolle herrschte indes auch auf der Richterbank kein Zweifel - das sei rassistisch und menschenverachtend, sagte Stojek. "Nigger, Sandneger. Ich hasse sie alle", zitiert das Blatt aus den Protokollen. Und über Muslime heißt es: "Dass sie generell eher zu untermenschlichem Verhalten neigen, liegt schon an der Rasse." Und das gehört fast noch zu den harmloseren Äußerungen. Schon davor, Anfang 2015, hatte sich der Autor regelrecht in einen Bürgerkrieg mit Millionen von Toten hineinphantasiert. "Tote. Verkrüppelte. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!"

Schon an diesem Freitag wird das Landgericht verkünden, ob die Artikel von Kotext vorerst im Netz bleiben dürfen oder nicht. Danach könnte sich ein sehr langes Verfahren anschließen, prognostizierte Stojek. Beim Bundesgerichtshof wäre man mit dem Streit dann etwa im Jahr 2025 angekommen.

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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