Rauswurf:Statt der Freiheit

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Ist der Rauswurf von Victor Mallet, 58, die Rache für sein Engagement? (Foto: Paul Yeung/AFP)

"Financial Times"-Journalist Victor Mallet muss Hongkong verlassen, sein Visum wurde nicht verlängert. Als erster ausländischer Korrespondent bekommt er den steigenden Druck aus Peking zu spüren.

Von Kai Strittmatter

Wenn die KP Chinas missliebige ausländische Reporter loswerden will, dann verlängert sie in der Regel einfach deren Visum nicht. De facto ist das ein Rauswurf. Zuletzt traf es in diesem Sommer in Peking die Buzzfeed-Korrespondentin Megha Rajagopalan. Die Nachricht von der Ausweisung des Korrespondenten der britischen Financial-Times, Victor Mallet, allerdings schlug am Freitag noch einmal mit weitaus größerer Wucht ein: Denn Mallet wird nicht aus Peking, sondern aus Hongkong hinausgeworfen - der ehemaligen britischen Kronkolonie, die zwar seit 1997 zu China gehört, der aber von Peking unter der Formel "Ein Land, zwei Systeme" damals weitere 50 Jahre Autonomie und Freiheit versprochen worden waren.

Mallet ist der erste ausländische Journalist, dem die Behörden die Verlängerung seines Visums verweigern. Aus Hongkong hinausgeworfen zu werden, das sei eine "viel größere Sache" als aus China, schrieb auf Twitter die amerikanische Journalistin Melissa Chan - Chan war selbst 2012 aus China ausgewiesen worden: "Von Peking erwarten wir, dass es die Presse attackiert. Für Hongkong aber war der Welt ein anderes System versprochen worden, ein rechtsstaatliches." Auf dem globalen Pressefreiheitsindex des Vereins Reporter ohne Grenzen war Hongkong zuletzt zwar auf Rang 70 abgerutscht, lag damit aber immerhin noch mehr als 100 Plätze vor China (176).

Während Selbstzensur und die Einschüchterung lokaler Journalisten durch Peking in Hongkong schon seit Jahren beklagt werden, war die Stadt ausländischen Reportern bislang ein sicherer Hafen geblieben. Tatsächlich arbeiteten von Hongkong aus immer wieder auch westliche Journalisten, denen die Einreise aufs chinesische Festland verwehrt wurde. Hintergrund der jüngsten Eskalation sind die wachsenden Spannungen in der Stadt. Auf der einen Seite gibt es eine zunehmend offene Einmischung Chinas in die inneren Angelegenheiten Hongkongs, auf der anderen Seite wachsenden Frust vor allem bei Teilen der Jugend. Eine Handvoll junger Aktivisten hat in den letzten Jahren begonnen, offen die Unabhängigkeit zu fordern. Es ist die Forderung einer Randgruppe nur, die sich organisierte in der kleinen Hongkong National Party HKNP unter deren Parteichef Andy Chen. Der Foreign Correspondents Club (FCCHK) organisierte Mitte August eine Veranstaltung mit dem 27-jährigen Chen als Redner - und zog sich damit den Zorn des offiziellen China und aller Chinafreunde in Hongkong zu. Die Pekinger Global Times beschwor wieder einmal die dunklen "ausländischen Mächte" herauf, die Chinas Einheit unterminieren wollten und der chinafreundliche Hongkonger Politiker Ma Fung-kwok warf dem FCC vor, "Beihilfe zu leisten" bei der Sabotage der nationalen Sicherheit Chinas. Die HKNP wurde am 24. September schließlich verboten, als erste politische Gruppierung seit 1997.

Was das mit Victor Mallet zu tun hat? Der erfahrene Asien-Korrespondent lebte seit zwei Jahren in Hongkong, seit 2017 war der 58-Jährige Vizepräsident des dortigen FCC - und moderierte in dieser Funktion die August-Veranstaltung, saß also gemeinsam mit Andy Chan auf dem Podium. Die Behörden Hongkongs schweigen sich bislang aus über die Gründe für die Ausweisung Mallets. Doch der lokale Journalistenverband Hongkongs sprach aus, was alle denken: "Das sieht nach Vergeltung aus." Auch die Abgeordnete Claudia Mo, selbst einst Journalistin, spricht von einem "Racheakt": "Das ist ein weiterer Schlag für Hongkongs Pressefreiheit und ein weiterer Beweis dafür, dass Hongkong dabei ist, eine chinesische Stadt zu werden." Mallets Rauswurf sende "Schockwellen durch die Zivilgesellschaft Hongkongs", schreibt der Rechtsanwalt und Bestsellerautor Jason Y. Ng in einem Beitrag für das Portal Hongkong Free Press. Die Regierung gebe nun ihre Zurückhaltung auf im Kampf mit politischen Gegnern. Schon verlangen einige aus dem Pro-China-Lager auch den Rauswurf des Foreign Correspondents Clubs aus seinem Clubhaus, einem historischen Gebäude im Herzen von Central. "Aber das größte Opfer ist die Stadt selbst", schreibt Autor Jason Y. Ng, der auch den PEN-Club der Stadt leitet. Peking verschiebe ständig die roten Linien, die markieren, welche Themen tabu sind. "Das erhöht den Druck zur Selbstzensur immens", meint Ng.

Vertreter Großbritanniens und auch der USA protestierten gegen die Ausweisung Mallets und verlangten eine Erklärung. Ein Vertreter des chinesischen Außenministeriums ließ am Wochenende verlauten, die Regierung in Peking stehe hinter der Entscheidung Hongkongs: "Kein anderes Land hat das Recht, sich hier einzumischen."

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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