Künftige RBB-Intendantin:"Der einzige Kerl in diesem Laden"

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Patricia Schlesinger, Hartnäckige TV-Managerin und künftige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg. (Foto: obs)

Hartnäckig und ohne Scheu vor Konflikten: Patricia Schlesinger verantwortete beim NDR Sendungen mit politischer Brisanz. Jetzt wird sie Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg.

Von Claudia Tieschky

Wenn sie nicht diese roten Haare hätte, könnte man Patricia Schlesinger eine graue Eminenz in der ARD nennen. Die Frau steht zwar seit ihrer Zeit als Washington-Korrespondentin und - viel früher - als "Panorama"-Moderatorin kaum noch vor der Kamera. Intern aber war sie schon vor ihrer Wahl zur Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg mächtiger als mancher Kleinhierarch gewesen - auch wenn sie gar nicht zum Kreis der ARD-Direktoren gehörte, die in vielen Konferenzen diskutieren, was im Ersten Programm geschehen soll.

Als Leiterin des Programmbereichs Kultur und Dokumentation beim NDR- Fernsehen in Hamburg hat Patricia Schlesinger, 54, in den vergangenen Jahren Programme gefördert, verantwortet und sichtbar gemacht, die in der Gesellschaft zum Gesprächsthema wurden - einen Dokumentarfilm über den Genozid in Armenien, ein Interview mit Margot Honecker, das Dokudrama "Eichmanns Ende", den mit dem Oscar ausgezeichneten Dokumentarfilm "Citizenfour" über Edward Snowden, und demnächst ist die Produktion "National Bird" über den Drohnenkrieg zu sehen, die wohl ebenfalls Debatten auslösen wird.

Sie sagt deutlich, was sie will

Aufwendige Sendungen mit politischer Brisanz sind Schlesingers Markenzeichen, und sie konnte durchsetzen, dass diese Filme im Ersten liefen, oft auf prominenten Sendeplätzen. Geholfen hat ihr immer, dass sie deutlich sagt, was sie will, dass sie mit den großen Buben in der ARD mitspielen kann, hartnäckig ist und Konflikte nicht scheut. Zu ihrem Temperament gehört aber auch, dass sie manchmal fast übermütig wirkt.

Schlesinger hat dem Programm in den vergangenen Jahren einen deutlich politischeren Zug verpasst, sie hat die Autoren dafür gefördert und an den NDR gebunden: Leute wie Eric Friedler, Stephan Lamby oder Hubert Seipel. Die Politik gab es schon früh in ihrem Leben, Ost und West auch. Der Großvater Artur Schlesinger war Politiker in Görlitz und als Angehöriger der DDR-Blockpartei LDPD zeitweilig Minister, der Vater flüchtete aus der DDR und wurde Direktor bei Preussag.

Es wurde - klar bei dieser Konstellation - viel diskutiert im Elternhaus in Niedersachsen. Den Großvater besuchte man mit Tagesvisa in einem Hotel in Ostberlin, oder wenn es politisch gerade möglich war, auch in Görlitz. Im Wikipedia-Eintrag über Artur Schlesinger ist ein Foto mit der Enkelin Patricia zu sehen, aufgenommen im Jahr 1970, die Zöpfe sind schon damals rot. Gerhard Spörl, Schlesingers Ehemann und ehemaliger Spie gel-Journalist, schreibt gerade ein Buch über die turbulente Familie seiner Frau. Schlesinger ist Mutter einer 16-jährigen Tochter.

Die Rolle der Hierarchin wird ihr kaum schwerfallen

Sie hat einmal gesagt, dass sie "unfertige Gesellschaften" faszinierend finde; damals sprach sie über ihre Zeit als Korrespondentin in Südostasien. Der RBB ist 13 Jahre nach seiner Gründung noch immer gespalten zwischen Hauptstadt und Hinterland, auch zwischen Ost und West, und in gewisser Weise ebenfalls eine unfertige Gesellschaft. Das Amt als Intendantin tritt Schlesinger am 1. Juli an. Ihr könnte dann zugutekommen, dass auch der NDR nach der Wende zu einem Ost-West-Sender wurde und man langsam lernte, wie das geht.

Die Rolle der Hierarchin wird ihr kaum schwerfallen. Sie ist durch die jahrelange Programmarbeit hervorragend in den ARD-Sendern vernetzt. Die Tatsache, dass sie und die Kollegin vom MDR die einzigen Frauen in der Intendantenrunde sind, wird sie selbst vielleicht nicht einmal als besondere Situation wahrnehmen. Das legt zumindest die Anekdote nahe, die in den Wochen vor der Wahl öfter erzählt wurde, einfach weil sie so schön ist. Als vor ein paar Jahren der Moderator des Satiremagazins "Extra 3", Hans-Jürgen Börner, seinen Abschied vom NDR feierte, fand er sehr besondere Worte für sie: Schlesinger sei "der einzige Kerl in diesem Laden". Wenn er recht hat, muss man sich jetzt wahrscheinlich Sorgen um den NDR machen.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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