Privatfernsehen:Programm von daheim

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Pro Sieben hat bisher viel Ware aus den USA unter die Leute gebracht. Nun schwenkt der Konzern um und will drastisch mehr Eigenproduktionen und deutsche Stoffe finanzieren - so wie das die Konkurrenz von Netflix und Amazon erfolgreich vormacht.

Von Lisa Priller-Gebhardt

Es hat ein bisschen gedauert, aber nun vollzieht auch die Sendergruppe Pro Sieben Sat 1 eine zeitgemäße Wende. Viele Jahre lang wurde dort vorwiegend auf US-Ware gesetzt, jetzt lautet die Devise: Weniger Hollywood, mehr Hausgemachtes. Es ist dann offenbar doch aufgefallen, dass sogar die US-Streaming-Dienste Amazon und Netflix beachtliche Inhalte für den deutschen Markt herstellen. Produktionen wie Dark oder You are wanted haben Netflix und Amazon nicht nur Zuschauer, sondern auch große Aufmerksamkeit verschafft. Die Pay-TV-Plattform Sky konnte mit ihrer ersten deutschen Fiction-Produktion Babylon Berlin die zweitstärksten Serien-Quoten in ihrer Geschichte melden. Nur Game of Thrones wurde öfter gesehen.

Für Pro Sieben bedeutet das: "Der Anteil an lokalen Inhalten soll auf den großen Sendern mittelfristig über 50 Prozent ausmachen". Das sagt Wolfgang Link, Geschäftsführer der TV-Sender von Pro Sieben Sat 1 dem Branchenmagazin Werben & Verkaufen. Einer der Gründe: Die Zuschauer sind heute anspruchsvoller als in der Ära vor Netflix und Amazon. Sie erwarten auch vom linearen TV mehr als abgehangene US-Ware. Und das, was neu produziert wird, scheint auch immer weniger die Vorlieben des Senderpublikums zu treffen. "Serielle Fiction aus den USA ist leider immer weniger für den deutschen Massenmarkt geeignet", sagt Link. Die Vereinigten Staaten seien zu sehr "mit sich selbst beschäftigt und produzieren weniger mit Fokus auf den internationalen, sondern stärker für den amerikanischen Markt".

Die Unterföhringer Sendergruppe darf, seit der neue CEO, Max Conze, die Geschicke des Konzerns lenkt, wieder mehr Geld fürs Programm in die Hand nehmen. Geplant ist unter anderem die Adaption des Bestsellers Neun Tage wach von Eric Stehfest. Keine einfache Kost, in seinem autobiografischen Roman erzählt Stehfest über seine Crystal-Meth-Sucht. Auch für den Schwestersender Sat 1 sind neue Serien geplant - er soll laut Link "der TV-Kanal mit den meisten neuen Eigenproduktionen werden". Weniger romantische Komödien aus Hollywood, dafür mehr Krimis aus eigenen Landen, darunter Verfilmungen der Bestseller von Andreas Franz, Michael Tsokos und Sebastian Fitzek.

Um nicht noch mehr Zuschauer an die internationalen Streaming-Dienste zu verlieren, testet Link auch Alternativen in der Ausspielung: Er zeigt die ersten fünf Folgen der neuen Vorabend-Soap Alles oder nichts von diesem Montag an bei Sat1.de und der App 7TV en bloc - eine Woche vor dem Sendestart. Was in Unterföhring noch ein Testballon ist, wird mit der neuen Video-on-Demand-Plattform, die 2019 als Joint-Venture mit Discovery an den Start geht, der Normalfall sein. Wenn sich in dieser Woche die TV-Branche in Cannes zur Fernsehmesse Mipcom trifft, wird Wolfgang Link sicherlich für die neue Plattform trommeln. "Wenn wir Netflix und Amazon etwas entgegensetzen wollen, dann wären wir sehr gut beraten, wenn sich alle deutschen TV-Sender zusammenschließen", so sein Appell.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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