Presserecht:Zoomen verboten

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Der Bundesgerichtshof urteilt über Medienberichte zum Zustand des ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Michael Schumacher nach dessen Skiunfall. Untersagt werden Artikel, die dem Patienten mit Worten zu sehr auf den Leib rücken.

Von Wolfgang Janisch

Die Frage, wie es Michael Schumacher geht, ist inzwischen beinahe zu einem eigenen Genre geworden. "Das wissen wir über seinen Gesundheitszustand" - so oder ähnlich werden die medialen Updates über den Zustand des einstigen Formel-1-Stars nach seinem Skiunfall vom Dezember 2013 überschrieben. Meist wird dann mitgeteilt, dass wir eigentlich nichts Genaues wissen. Der oft beschworene Respekt vor dem Wunsch der Familie, die Privatsphäre zu respektieren, kann die Neugier jedenfalls nur unzureichend zügeln - immer wieder beschäftigen angebliche Nachrichten aus der Klinik die Gerichte.

Einer dieser Fälle ist nun zum Bundesgerichtshof (BGH) gelangt - und das oberste Zivilgericht hat einen Versuch unternommen, eine Grenze zwischen legitimen Informationsinteressen und Schutz der Privatsphäre zu ziehen, die beiden Seiten gerecht wird. Auslöser war ein Bericht vom Juni 2014 in der Illustrierten Superillu ("Endlich. Michael Schumacher ist wach!") . Das Blatt beschäftigt sich ausführlich mit Schumachers Zustand nach seiner Verlegung ins Universitätsklinikum Lausanne, von den Methoden der Reha-Behandlung bis hin zu angeblichen Details, die seinen Zustand umschreiben sollen. Der BGH hat nun wegen Verletzung der Privatsphäre zwei Passagen untersagt - und zwar deshalb, weil sie dem Patienten sozusagen mit Worten zu sehr auf den Leib gerückt sind.

Er muss nicht hinnehmen, als gebrechlich dargestellt zu werden

Denn in dem Artikel, der sich unter anderem auf die eher allgemein gehaltenen Aussagen einer Neurologin stützt, wird Superillu an zwei Stellen sehr konkret. Zuerst heißt es: "Berichte, dass Schumacher über die Augen mit seiner Frau kommuniziert und Stimmen hört, wurden bislang nicht bestätigt." Später folgt die Aussage: "Sicher ist nur, dass er alles neu erlernen muss. Schlucken, Laufen, Sprechen."

Aus Sicht des BGH haben derart plastische Beschreibungen der Folgen des Schädel-Hirn-Traumas, an denen Schumacher leidet, "in der Öffentlichkeit nichts zu suchen". Daran ändere auch seine Prominenz nichts. Der einstige Leistungssportler werde durch die plakative Schilderung solcher Einschränkungen "als gebrechliche und in jeder Hinsicht hilflose Person präsentiert, dessen körperliche und geistige Fähigkeiten auf ein Minimum reduziert sind. Dies muss er nicht hinnehmen." Mit anderen Worten: Der BGH untersagt den Journalisten, mit einem verbalen Zoomobjektiv gleichsam getextete Nahaufnahmen des Patienten zu fertigen, seien diese nun zutreffend oder nicht.

Erlaubt sind dagegen allgemeine Umschreibungen der Rehabilitationsmaßnahmen, jedenfalls, soweit sie an bereits bekannte Informationen über seinen Zustand anknüpfen. Die damalige Mitteilung von Schumachers Managerin, er sei nun nicht mehr im Koma, durfte das Blatt mit dem Satz übersetzen: "Fest steht aber, die wachen Phasen werden seit April immer länger." Das Oberlandesgericht Köln hatte dies noch untersagt, ebenso wie einige Umschreibungen der Reha-Maßnahmen oder die Vermutung, Schumacher werde "wohl" psychologische Betreuung bekommen.

Letztlich versucht der BGH damit den Brückenschlag zwischen dem Interesse am Schicksal eines der prominentesten Sportler und Schutz der Privatsphäre, den auch ein Superstar in Anspruch nehmen darf. Medizinische Fragen zu den Geräten und Methoden zu erörtern, die beispielsweise für die Stimulation solcher Patienten eingesetzt werden - das dürfe der Presse nicht generell untersagt werden, solange sie nicht "private Momente des langsamen Fortgangs der Genesung preisgeben". Der Weg zwischen erlaubter Distanz und verbotener Nähe wird wohl ein schmaler Grat bleiben.

© SZ vom 20.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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