Presselandschaft:Shoppen in Hessen

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Der Verleger Dirk Ippen übernimmt gemeinsam mit einer Verlegerfamilie aus Gießen die "Frankfurter Rundschau" und die "Frankfurter Neue Presse". Interessant ist das für ihn vor allem aus Vermarktungsgründen.

Von Karoline Meta Beisel und Susanne Höll

Vor ein paar Tagen hat Dirk Ippen bei einer Portion Weißwürste ein Jubiläum gefeiert. Vergangene Woche Freitag war es genau 50 Jahre her, dass der damals 27-Jährige von seinem Vater seine erste Zeitung erbte, den Westfälischen Anzeiger aus Hamm. 50 Jahre Berufstätigkeit, andere denken da an den Ruhestand. Ippen offenbar nicht, aber er hat sich zu diesem Anlass etwas Schönes gekauft: Am Freitag wurde bekannt, dass er - gemeinsam mit der MDV Mediengruppe aus Gießen - die Mediengruppe Frankfurt übernehmen wird, dazu gehören unter anderem die Frankfurter Rundschau (FR) und die Frankfurter Neue Presse (FNP).

Damit bekommt das ehemalige linke Traditionsblatt nach nur fünf Jahren erneut einen neuen Eigentümer. 2013 hatte die Fazit-Stiftung, das Mutterhaus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), die Konkurrentin nach deren Insolvenz vom Kölner DuMont-Konzern übernommen. Auch die FAZ profitierte, weil der Zusammenschluss die Vermarktung im Rhein-Main-Gebiet erleichterte. Das Kartellamt genehmigte die Fusion, weil die Frankfurter Rundschau sonst nicht überlebt hätte. Auch diesmal muss die Wettbewerbsbehörde noch zustimmen.

Schon im Herbst hatte es Gerüchte gegeben, dass die vor allem national wichtige FAZ und die zur Regionalzeitung geschrumpfte FR wieder getrennt werden könnten. Nun ist es so weit. "Wir halten den richtigen Zeitpunkt für gekommen, die Zukunft dieser regionalen starken Medienmarken auf eine mittel- und langfristig bessere Entwicklungsgrundlage zu stellen, als es die Fazit-Gruppe (...) auf Dauer gewährleisten kann", sagt Andreas Barner, der Vorsitzende des Stiftungs-Kuratoriums. Mit der FAZ wolle man nun eine klare nationale Strategie verfolgen.

Bei der Mediengruppe Frankfurt, zu der außer der FR und der FNP mit ihren Regionalausgaben auch ein Anzeigenblatt, die Vermarktungsgesellschaft RheinMain.Media, eine Digitalagentur und die Frankfurter Societäts-Druckerei gehören, lobt der Geschäftsführer Oliver Rohloff die "gute und kluge" Entscheidung. Der Eigentümerwechsel komme dem regionalen Fokus der Zeitungen zugute und sei eine "echte Chance", teilt Rohloff mit. Viel mehr will er nicht sagen.

Deutliche Worte findet dagegen Verdi. Die Nachricht habe "in den Belegschaften der betroffenen Betriebe große Besorgnis um den Erhalt der Arbeitsplätze und die Selbständigkeit der beiden Tageszeitungen ausgelöst", heißt es dort. Insgesamt seien mindestens 800 Beschäftigte betroffen, mehr als die Hälfte von ihnen in der Druckerei. Die Betriebsräte fürchten, dass FR und FNP nun blühen könnte, was andere Regionalblätter hinter sich haben: die Zusammenlegung der Redaktionen.

"Dazu ist mir kein Plan bekannt", sagt Ippen am Telefon. In München wurden 2016 die Lokalredaktionen der Ippen-Titel Münchner Merkur und tz zusammengelegt, ansonsten ist Ippen bislang nicht als Fusionär aufgefallen. Er sagt: "Grundsätzlich steht für uns immer die Individualität des einzelnen Titels, die Marke im Vordergrund." FR-Chefredakteurin Bascha Mika mache auf ihn einen "guten Eindruck". Auch daran, dass die FR Politik- und Wirtschaftstexte aus der Berliner DuMont-Zentralredaktion bezieht, soll sich seines Wissens nichts ändern.

Bleibt die Frage, was die Fazit-Stiftung bewogen hat, die Blätter nun zu verkaufen

Allerdings: Ippen hat die Frankfurter Titel nicht allein übernommen, sondern über eine Holding, die ihm gemeinsam mit der MDV-Mediengruppe aus Gießen gehört. Der Kauf sei vor allem auf Betreiben der jüngeren Verleger aus diesem Verbund zustande gekommen und sei ein "Bekenntnis zur Zukunft der lokalen Zeitungsmärkte". Der Vorteil liege vor allem auf der Vermarktungsseite, sagt Ippen: Künftig kann die Holding ihre Zeitungen und Anzeigenblätter in Frankfurt, Offenbach und Gießen gemeinsam vermarkten. Auch die Lokalausgabe der FAZ, die Rhein-Main-Zeitung, soll weiterhin zu diesem Vermarktungsverbund gehören, so Ippen: "Auf dem lokalen Sektor haben wir mehr Erfahrung als die FAZ", sagt er. Diese neue Großmacht auf dem Anzeigenmarkt dürfte einer der Gründe sein, warum das Kartellamt den Kauf prüfen muss.

Bleibt die Frage, was die Fazit-Stiftung motiviert hat, die Blätter nun zu verkaufen. Beantworten wollte man sie am Freitag nicht. Indizien gibt es aber.

Die Frankfurter Rundschau hat sich von den Wirrungen der vergangenen Jahre zuletzt etwas erholt, die FNP aber ist in der Krise. Die Auflage schrumpft dramatisch, allein im vergangenen Jahr noch einmal um 13 000 Exemplare auf zuletzt knapp 47 000. Möglich, dass die Stiftung dieses Risiko nicht mehr tragen wollte. Die FAZ wiederum prüft einen Umzug der Redaktion. In der Branche fragt man sich, ob es dabei vor allem um den Verkauf der jetzigen Immobilie in der Hellerhofstraße gehen könnte, und wenn ja: Was hätte die Stiftung mit dem Geld vor?

Die Mitarbeiter der nun betroffenen Titel zeigen ob all der Unsicherheiten jedenfalls eine erstaunliche Gelassenheit. "Wir haben uns an solche Situationen gewöhnen müssen - leider", sagte ein Mitarbeiter der FR.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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