"Polizeiruf":Energiewende

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Beim Prozess um ein polnisches Atomkraftwerk: Maria Simon als Kommissarin Olga Lenski. (Foto: Oliver Feist/rbb)

Ein "Polizeiruf 110" untersucht den "Tod einer Journalistin": Es geht um Pressefreiheit, deutsch-polnisches Grenzgebiet, Atomkraft, ein Verhältnis. Aber die Episode trägt das alles.

Von Cornelius Pollmer

Als ein sächsischer Ministerpräsident einmal kritisch gefragt wurde, welchen Einfluss internationale Großkonzerne auf den Osten Deutschlands hätten, sagte er: "leider keinen". Dieser Polizeiruf 110 vom rbb ist einer über die Möglichkeit des Gegenteils. Im wirtschaftlich schwachen Nordosten will das Energieunternehmen Ergatome grenznah auf polnischem Gebiet ein neues Atomkraftwerk bauen. Es gibt Proteste und Zweifel an der Eignung des Standortes und auch einen Gerichtsprozess, vor allem aber gibt es die Journalistin Anne Gerling, die einem investigativ arbeitenden Verbund angehört und bereits reichlich belastende Stücke zu dem Vorhaben recherchiert und geschrieben hat. Gerling hat sich Feinde gemacht, dem zuständigen und verheirateten Richter hingegen ist sie näher gekommen, als beiden aus professioneller Sicht lieb sein kann. Insofern bleiben zunächst mindestens zwei mögliche Motive, als die Recherchen und das Leben von Gerling jäh enden, mit einem Genickbruch, den zwei erstaunlich kräftige Hände ruchlos herbeiführen.

Oft brechen auch Krimis unter der Last zu vieler Sujets, diese Episode trägt die ihre. "Tod einer Journalistin" (Buch: Silja Clemens, Stephan Rick, Thorsten Wettcke; Regie: Stephan Rick) spielt nicht nur im deutsch-polnischen Grenzgebiet, auch sprachlich ist die Bilingualität gut umgesetzt. Auf die Härten der Justizreform in Polen wird genauso nach Möglichkeit verwiesen wie auch die realen Namen realer Opfer genannt werden, die im Interesse der Gesellschaft nach Wahrheiten suchten und sehr individuell dafür mit ihrem Leben bezahlten: Jamal Khashoggi, Daphne Caruana Galizia, Ján Kuciak. "Und jetzt Anne", komplettiert Gerlings hinterbliebener Vater im Film die Realität mit Fiktion.

Der "Tod einer Journalistin" ist handwerklich ordentlich erzählt, die Ermittler Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) lösen ihren Fall statt parallel Spurensicherung in der eigenen Seele zu betreiben. Zudem verhandelt der Film vor allem in Person des Richters Lukasz Franczak (Maciej Stuhr) Fragen von zeitloser Wichtigkeit: Inwieweit sind "das Gute" und "das Böse" systemisch? Wo beginnt persönliche Verantwortung und wo endet sie? Sowie, für alle, die es noch komplizierter mögen: Kann man Opfer solcher Umstände werden, deren Eintreten man selbst befördert hat?

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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