Nein, derzeit gebe es keinen Ansprechpartner bei der Brainpool TV GmbH, heißt es aus der Pressestelle. Bestätigen will man nur, dass am Dienstag 80 von 230 Mitarbeitern zum Jahresende betriebsbedingt gekündigt wurde. Vor allem jenen, die bislang für Sendungen von Stefan Raab zuständig sind. Ansonsten verweist man in Köln auf den Bundesanzeiger. Brainpool hat in Sachen Öffentlichkeitsarbeit dichtgemacht. Der einstige Branchenprimus will sich nicht in die Karten schauen lassen, nicht sagen, was auf die Produktionsfirma zukommt, wenn ihre Galionsfigur zum Jahresende die Fernsehschuhe an den Nagel hängt.
Schon einmal musste sich die Firma am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen
Der angekündigte Abschied von Raab bringt nicht nur Pro Sieben in die Bredouille. Auch Brainpool, also jene Kölner Firma, die seit 1994 immer wieder für Überraschungen auf dem Fernsehmarkt gesorgt hat und der nicht wenige deutsche Künstler Teile ihres Ruhms verdanken, muss sich neu aufstellen. Mit Raab fällt ein großer Teil des Brainpool-Kerngeschäfts weg. So etwas zu ersetzen in Zeiten, da die Show-Etats der Fernsehsender nicht gerade überquellen, ist keine leichte Aufgabe.
Mit Brainpool verhandelt man als Sender, wenn man eine ordentliche Show auf die Beine gestellt haben möchte. Für den WDR wurde in diesem Jahr PussyTerror TV mit Carolin Kebekus geliefert, Sat 1 hat Luke! Die Woche und ich mit Newcomer Luke Mockridge geordert, und die nationale Vorauswahl zum Eurovision Song Contest war natürlich auch ein Brainpool-Produkt. Zudem stellt Brainpool im Sommer für RTL 2 die Wiederkehr der Castingshow Popstars auf die Beine.
Stolz präsentiert die Firma auf ihrer Homepage 19 Bühnenprogramme, zwölf TV-Serien und 86 Fernsehformate in der Kategorie Show. Auf so viel Entertainment kommt sonst kaum einer im deutschen Schaugeschäft.
Das Problem ist, dass die meisten Sendungen entweder auf das Raab-Konto gehen oder längst nicht mehr laufen. Selbst große Namen, die einst auf das Brainpool-Konto einzahlten, kann man inzwischen nur noch selten als Aktiva werten. So liegt Anke Engelkes Ladykracher ebenso auf Eis wie Bastian Pastewkas Serie Pastewka. Auch um Protagonisten wie Elton oder Axel Stein ist es eher still geworden.
Umso wichtiger sind die Sendungen mit Raab. Auf den Anwurf, er komme von Raab wohl nicht los, antwortete der Brainpool-Gründer Jörg Grabosch noch im November im SZ Magazin: "Das will ich auch nicht. Wir machen auch Sachen ohne Stefan. Aber er ist unser Hit, unsere Coca-Cola."
Nun muss er doch ohne Coca-Cola auskommen. Wie das gehen soll, ist schleierhaft. Aber es wäre nicht das erste Mal, dass Brainpool sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht. Ende der 90er-Jahre hatte die Firma mit der Harald Schmidt Show und der Wochenshow gerade die deutsche Fernsehcomedy neu erfunden. Die Firma galt als großer Spieler im Geschäft um Quoten und Werbeerlöse, als ihr erstmals ein großer Name von der Fahne ging: Schmidt machte sich selbstständig und produzierte seine Show fortan in Eigenregie.
Bei Brainpool hat man daraus gelernt. Als 1998, im Jahr des Schmidt-Abgangs, der Vertrag mit dem damaligen Newcomer Stefan Raab unterzeichnet wurde, enthielt der auch die Gründung von Raab TV, an der Raab und Brainpool jeweils 50 Prozent hielten. Das Muster wurde danach bei fast allen wichtigen Künstlern wiederholt. Dahinter steckte der Gedanke, dass Protagonisten mit einer Beteiligung nicht so leicht die Flucht ergreifen. So wurde 1999 die Ladykracher TV GmbH mit Anke Engelke gegründet und 2000 die Glennford Pictures TV Produktion GmbH mit Bastian Pastewka. Immer waren die Anteile klar geteilt, fifty-fifty. Allerdings stieg Pastewka schon 2002 wieder aus, er führt Glennford heute alleine. Mit Brainpool verbündet er sich inzwischen über die Firma Minestrone für bestimmte Projekte wie etwa Pastewka.
Auch abseits von Raab kann Brainpool auf Erfolge verweisen. Aber Raab war die Coca-Cola
Im Bundesanzeiger kann man für das Jahr 2013 einen Umsatz von knapp 91 Millionen Euro und einen Jahresüberschuss nach Steuern von knapp 11 Millionen nachlesen - bereits weniger als in den Vorjahren, in denen Brainpool in Düsseldorf und in Baku an der Veranstaltung des Eurovision Song Contest maßgeblich beteiligt war. Zu verdanken war das Engagement natürlich maßgeblich Raab, der mit der Erfindung von Lena den Trällerwettbewerb aus dem Wachkoma geholt hatte.
Für Brainpool markierte die ESC-Phase die großen Jahre nach der Krise. Lange war die Firma zuvor Spielball von Investorinteressen gewesen. Erst war der zur AG umgewandelte Brainpool-Kern von Viva übernommen worden, dann Viva von MTV. Im Dezember 2006 gelang es schließlich den Gründern, die Ursprungsfirma aus dem Wirrwarr herauszukaufen. Mehrere Künstler sollen gedroht haben, sich ansonsten von Brainpool zu verabschieden.
Als im Januar 2007 die jetzige Brainpool TV GmbH gegründet wurde, war in der zugehörigen Meldung als Anteilseigner mit 25 Prozent auch Stefan Raab ausgewiesen. 2009 folgte die Nachricht, dass die französische Mediengruppe Banijay Entertainment 50 Prozent der Anteile von Brainpool übernimmt. Damit sollte ganz offensichtlich der Sprung ins internationale Geschäft leichter werden. Das gelang sogar: Brainpool konnte das Konzept von Beat The Star in mehrere Länder verkaufen.
Danach wurden Raabs Anteile an der dann maßgeblichen Brainpool Beteiligungs GmbH mit 12,5 Prozent ausgewiesen. Die Frage, ob er sich mit seinem Abgang daher nicht auch selbst ganz wesentlich schädigt, würde man gerne jemanden in der verschachtelten Firma stellen, aber dort antwortet niemand. Auf der Homepage ist man groß im Verkünden von neuen Verpflichtungen und Firmengründungen. Ob jemand geht oder ob Firmen sich auflösen, steht da nur selten.
Aber noch brennen im Hause Brainpool ein paar Lichter. Man kann auch abseits von Raab auf Erfolge verweisen. Einer der spektakulärsten war der Stromberg-Film, der per Crowdfunding finanziert wurde und 2014 ein Kassenerfolg war. Mit dem Stadionkomiker Bülent Ceylan hat man zudem jemanden für die Massen im Angebot und mit Carolin Kebekus eine Alternative für alle, die es nicht so brav mögen.
Trotzdem: 2016 dürfte ein schweres Jahr für Brainpool werden. "Grundlage des Brainpool-Geschäftsmodells ist der Aufbau starker Fernsehmarken und deren konsequente Auswertung über die gesamte Wertschöpfungskette", steht im jüngsten Konzernabschluss. Das klingt locker, aber es riecht nach harter Arbeit. Stefan Raab ist eine starke Marke. So jemand kommt so schnell nicht wieder. Man erfindet Coca-Cola nicht zweimal. Wahrscheinlich ist man bald schon froh, wenn es für eine halbwegs schmackhafte Apfelschorle reicht.