Zu Beginn des Jahres fiel das österreichische Heft All you can eat doppelt auf. Schon weil es kein top gestyltes Gericht auf dem Titel abbildet, sondern ein Stück Butter, auf dem wie mit dem Finger der Name des Magazins hineingemalt ist. Und andererseits, weil sich die meisten Food-Magazine so früh im Jahr ( Brigitte-Diät-Saison!) mit leicht Verdaulichem auf den Covern schmücken. All you can eat sticht nicht nur durch seine sinnliche bis explizite Bildsprache hervor - man sieht Hände, die in Nahaufnahme Avocados zerquetschen, und die Speckschwarte von aufgeschnittenen Mangalitza-Schweinen -, sondern auch durch die fundierten und unverkrampften Texte, in denen es wortwörtlich um alles geht, was man essen kann, in den ersten zwei Ausgaben unter anderem um Murmeltier- und Menschenfleisch.
Chefredakteur und Co-Herausgeber ist Tobias Müller, 34, aus Wien, der als Journalist mit Schwerpunkt Essen und Trinken unter anderem für den Standard und das Magazin Falstaff schreibt. Mit zwei Mitstreitern gründete er für das Heft den Verlag Paper Affairs Publishers. "Wir wollten nicht länger auf so ein Magazin warten", sagt er. In der Tat sucht man ein vergleichbares Heft vergeblich, wenigstens im deutschsprachigen Bereich. Als internationale Vorbilder nennt Müller innovative Independent-Hefte wie Lucky Peach und Gastronomica aus den USA. All you can eat kann da mithalten, auch in der zweiten Ausgabe. Dass es noch ein Hobby-Projekt ist, merkt man ihm nicht an. Herausgeber, Autoren und Fotografen arbeiten bislang nebenbei und unentgeltlich für das Heft. "Gerade geht es nicht anders", sagt Müller, der im ersten Heft knapp die Hälfte aller Texte geschrieben hat, im zweiten fast ebenso viel. Die zweite Ausgabe sollte schon im Februar kommen, dann dauerte es drei Monate länger. Statt vierteljährlich soll es nun halbjährlich erscheinen. Die erste Ausgabe, schätzt Müller, wird ausverkauft werden, trotzdem bleibt die Auflage vorerst bei 3500 Stück.
All you can eat ist eine Wohltat im aktuellen Markt für Magazine, die sich mit Essen befassen, in dem es zurzeit drei Sorten von Heften gibt: Thermomix-Kochhefte, die mehr Bedienungsanleitungen als Rezepte liefern, jung aufgemachte Foodie-Magazine, in denen Fertiggerichte "aufgepimpt" werden, sowie biedere Koch-Ableger von diversen biederen Landlust-Kopien. Das Heft aus Österreich beschäftigt sich statt mit Trends mit Esskultur und Menschen, die Essen lieben: Die erste Ausgabe enthält einen schmalzigen Nachruf aufs Schmalz, ein Portrait eines Bäckers, der für seine Croissants drei Tage in der Backstube steht, und eine Ode an den Käsekrainer ("King of the Wurst"). Die wenigen Rezepte, die es im Heft gibt, bewegen sich auf gehobenem Niveau mit Ausflügen in die Sterneküche. Manche versuchen, nachhaltig-modern auch die weniger wertvollen Teile des Tiers zu verarbeiten.
Wie das Magazin ein Thema aus vielen, auch abwegigen Perspektiven beleuchtet, erinnert an das monothematische Dummy-Magazin aus Berlin. Ähnlich wie Schluck - das anstößige Weinmagazin aus Berlin und Lucky Peach aus den USA spielt All you can eat mit abseitigen Themen und setzt sie mit Ernsthaftigkeit und Humor - in diesem Fall Wiener Schmäh - um: Der Titel der zweiten Ausgabe lautet: "Fremd - Fürchtet euch nicht!" Darunter: "Die deutsche Küche - Gibt es sie? Und braucht sie jemand?"