Nachruf:Der Unscheinbare

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Gerd Baltus spielte Nebenrollen in unzähligen deutschen Fernsehfilmen und Serien. (Foto: Peter Steffen/dpa)

Gerd Baltus war ein Schauspieler, dessen Gesicht fast jeder kennt, dessen Namen aber nur wenige. In unzähligen Serien und Fernsehreihen war er zu sehen, meist in der Rolle des Durchschnittsdeutschen. Jetzt ist er im Alter von 87 Jahren gestorben.

Von Hans Hoff

Es gibt im Schauspielgeschäft diese Typen, die irgendwie immer da sind, aber selten im Mittelpunkt stehen. Sie spielen ihre Rolle oft am Rande, was dazu führt, dass man eine Weile braucht, bis man sich ihren Namen merkt. Haben sich Name und Träger aber erst einmal ins kollektive Gedächtnis eingebrannt, dann wirken sie wie Möbel, die immer schon da waren. Dabei hilft, dass diese Schauspieler oft abonniert sind auf einen bestimmten Typus, was ihrer Erscheinung etwas Verlässliches verleiht. Spielen sie ihre gewohnte Rolle, hat die Fernsehwelt eine innere Ordnung.

Gerd Baltus war so einer, dessen Gesicht familiär wirkte, dessen Namen man sich aber nicht gleich gemerkt hat. Das lag kurioserweise an seiner großen Kunst, Figuren so anzulegen, dass sie sich so gerade abhoben vom Unscheinbaren. Meist waren es Verklemmte, Verlierer oder Verdächtige, die der gebürtige Bremer spielte, auf jeden Fall Menschen in Bedrängnis. Baltus konnte einen Seufzer spielen, ohne dass dieser zu hören gewesen wäre. In den besten Momenten war sein ganzes Gesicht ein einziger Seufzer.

Seine Rollen entsprachen stets erst einmal dem Typus verkniffener Buchhalter, den das gängige Fernsehklischee lange Jahre vorgab. Er spielte einen Mann, der wie ein ausgeblichener Trenchcoat wirkte, der von mehr träumte, der sich aber nicht lösen konnte von den Strukturen, in denen er gefangen schien. Baltus setzte damit vor allem in seinen frühen Fernsehjahren dem in innere Not geratenen Durchschnittsdeutschen ein televisionäres Denkmal. Wenn seine Figur dann aber in Krimis in den Fokus der Ermittler rückte, schaffte es Baltus oft, ihr mit fein gesetzten Nuancen den Hauch eines Psychopathen zu verleihen. Er brauchte dazu nicht viel. Er spielte leise, nie polterte er, und er wusste um seine Wirkung, wenn die Kamera ihn in den Fokus nahm.

Man sah Baltus in unendlich vielen Serien und Reihen. Der Kommissar, Derrick und Der Alte waren ebenso dabei wie Gastspiele im Tatort, in der Schwarzwaldklinik oder jüngst bei In aller Freundschaft. Für Besetzungsagenturen war Baltus eine sichere Bank. Über all die Serienengagements, die auch viel Seichtes wie Ein Bayer auf Rügen oder Unser Lehrer Doktor Specht mit sich brachten, geriet ein bisschen in Vergessenheit, dass er in den Fünfzigerjahren als Theaterschauspieler angefangen hatte und früh mit dem Kino in Kontakt kam. Für seine Rolle in "Wälsungenblut" wurde er 1965 gleich als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet. Auch als Sprecher von Hörspielen und Hörbüchern war Baltus, der nach Willen seines Vaters eigentlich Jurist hatte werden sollen, ein gefragter Mann. Am Freitag ist Gerd Baltus im Alter von 87 Jahren in Hamburg gestorben.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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