Nachruf:Der Pate des neuen deutschen Films

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Erst Filmkritiker für die SZ, dann beim WDR Produzent wichtiger Filme: Zum Tod von Joachim von Mengershausen.

Von Willi Winkler

Die Weltgeschichte verkürzt nur unwesentlich, wer behauptet, das zweite deutsche Filmwunder sei Ende der Sechziger in München im Bannkreis der Süddeutschen ausgeheckt worden. In der Zeitung schrieb Joachim von Mengershausen als Kritiker unter anderem über die frühen Fassbinder-Werke, drehte dann selber eine Dokumentation über den Chef des Anti-Theaters und spielte sogar eine kleine Rolle in Rio das Mortes, wenn sich auch eher Hanna Schygulla eingeprägt hat, die im roten Kleid zu Jailhouse Rock tanzt. Seine eigentliche Rolle fand der Kritiker, der eine Lehre als Bierbrauer abgebrochen hatte, weit weg in Köln beim WDR, wo er die ersten Filme seiner Münchner Freunde betreute, vor allem das Frühwerk des ehemaligen SZ-Filmkritikers Wim Wenders: Alice in den Städten, Falsche Bewegung, Der amerikanische Freund und noch bis zum Himmel über Berlin. Der Fernsehspielchef Günter Rohrbach wollte den "amphibischen Film" haben, und die Filmförderung half mit: dass die mit Fernsehgeld finanzierten Arbeiten vorher lang genug ins Kino kamen, um Preise einzusammeln und in Cannes und New York von dieser kreativen Explosion in der Bundesrepublik zu berichten.

Sein Geschmack war der des Cineasten, also ganz einfach, und er hat Mengershausen selten getrogen. Er sei, meinte er in einem Gespräch mit dem Film-Dienst, "zu der schockierenden Einsicht gelangt, "dass ich in Wahrheit gar kein Publikum habe außer dem, das ich selbst bin". Damit erreichte er dann aber tatsächlich Millionen, die sonst nie die Filme von Peter Lilienthal, Fredi M. Murer und Luc Bondy und später noch Christof Schlingensief und Jan Schütte wahrgenommen hätten. Die drei Staffeln Heimat sind sein bleibendes Verdienst. Mengershausen vertraute dem Münchner Autorenfilmer Edgar Reitz, der in seiner Hunsrück-Chronik die Provinz zur Weltmitte erheben konnte. Am vergangenen Mittwoch ist Joachim von Mengershausen, der Pate des neuen deutschen Films, 83-jährig in Köln gestorben.

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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