Alle dürfen in der Medienpolitik mitreden, so will es neuerdings die Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz. Die koordiniert die Rundfunkkommission, in der die 16 Bundesländer Rundfunkgesetze diskutieren. Nun sollen sich an dieser Diskussion auch Bürgerinnen und Bürger direkt beteiligen. Sie sind aufgerufen, über ein Online-Formular ihre Anregungen und Ideen zu der Frage einzusenden, wie aus dem Rundfunkstaatsvertrag ein Medienstaatsvertrag werden soll. Denn, so heißt es in dem Beteiligungsportal: "Rundfunk ist heute mehr als Radio und Fernsehen." Sie wünsche sich "hier eine breit geführte Debatte", lässt sich die zuständige Staatssekretärin Heike Raab zitieren. Allerdings spricht einiges dafür, dass das schwierig werden könnte.
In der Begleitinformation der Beteiligung heißt es, die Öffentlichkeit solle darüber diskutieren können, ob das "Zulassungsregime zur Regulierung audiovisueller Internet-Bewegtbild-Angebote noch zeitgemäß ist". Womöglich schwierig ohne medienrechtliches Detailwissen. Dabei geht es um etwas, das alle betrifft: Jeder ist heute potenzieller Medienproduzent, jeder kann dank Smartphone-Apps zum TV-Sender werden - lange bevor ihm die juristischen Konsequenzen bewusst sind. Worum geht es also, jenseits der sperrigen Fachbegriffe?
Der Rundfunkbegriff steht zur Diskussion, weil heutzutage kaum noch einer versteht, warum Internetfernsehen und -radio rechtlich anders beurteilt werden als über Satellit, Kabel oder Antenne Gesendetes. Dennoch will man Audio und Video weiter Rundfunk nennen, wenn das Material linear verbreitet wird, und "rundfunkähnlich", wenn es jederzeit abrufbar ist. Letzterer Begriff soll laut Kommission konkreter und weniger umstritten sein als - wie bisher - die Bezeichnung für dem Rundfunk "vergleichbare" Internetdienste. Außerdem soll laut Entwurf eine Bagatellregelung eingeführt werden, nach der niemand mehr - wie aktuell - eine Genehmigung braucht, um Livestreams zu senden, die wenig Leute sehen oder die inhaltlich banal sind.
Erst mal müssen sich Menschen mit Hobby Medienpolitik finden. Aber auch für die wird es schwer
Darüber hinaus geht es in dem Entwurf um Begriffe für Phänomene, die das Recht aktuell noch nicht abdeckt. Google, Facebook oder Youtube werden auf der Webseite "Intermediäre" genannt. Weil sie die Macht haben, ihnen nicht genehme Nachrichteninhalte schlechter auffindbar zu machen, sind die Fragen zu ihrer Regulierung interessant. Zur bürokratischen Sprachverwirrung trägt bei, dass Videos auf Youtube zwar eine Plattform geboten wird, Youtube im Sinne des Staatsvertrags aber keine Medienplattform ist. Da die Rundfunkkommission selbst kein prägnantes Beispiel für eine solche Plattform nennt, muss, wer wirklich mitreden will, auch noch die Geschichte der Plattformregulierung kennen. Ursprünglich wurde diese konzipiert, um etwa zu verhindern, dass Hersteller von TV-Geräten ihre Lieblingssender bei der Platzierung im elektronischen Programmführer bevorzugen. Nun soll die Medienplattform ein diffuser Sammelbegriff für alles potenziell Meinungsmächtige werden, das in keine andere Kategorie passt. Der am hitzigsten diskutierte Aspekt der Medienpolitik wiederum, der Rundfunkbeitrag, steht nicht zur Debatte, seine grundsätzliche Rechtmäßigkeit wurde ja erst kürzlich vom Karlsruher Verfassungsgericht bestätigt.
Auch wenn sich für Fragen wie diese erst einmal Menschen mit dem sehr speziellen Hobby Medienpolitik finden müssen, ist das Vorhaben, das Gesetz nicht im Hinterzimmer zu entscheiden, der Demokratisierung der Medientechnologie angemessen. Konkret handelt der Entwurf vom Rundfunk, von Plattformen und Intermediären und der Regulierung dieser drei Bereiche. Was aber bedeutet Mitreden bei diesem Thema?
Da liegt das Problem. Die Rundfunkkommission hat Hürden aufgestellt, die genau jene Mitsprache behindern, zu der sie gerade aufruft. Das Vorhaben fällt mitten in die Sommerferienzeit, Stichtag für Einreichungen ist der 26. August. Das sei dem weiteren Ablauf und einzuhaltenden Fristen geschuldet, heißt es auf Nachfrage.
Zur Meinungsbildung soll der Gesetzesentwurf dienen. In der linken Spalte steht der bisherige Rundfunkstaatsvertrag, rechts die Änderungen zum neuen Medienstaatsvertrag. Natürlich kann auf dieser Ebene kaum jemand so einfach einsteigen. Darum gibt es drei Webseiten mit Erklärungen der drei Unterthemen Rundfunk, Plattformen, Intermediäre, die jeweils auf etwa eine klein bedruckte Din-A4-Seite passen. Nur einer der drei Texte verzichtet auf die Nennung von Paragrafen, die anderen beiden lesen sich wie kommentierte Inhaltsverzeichnisse für Juristinnen und Juristen. Auf Nachfrage bei der Pressestelle widerspricht man nicht, dass die Erklärungen der Kommission sehr kompliziert sind. Vielmehr noch bestätigt man, dass die Rundfunkkommission ausgerechnet bei einer Bürgerbeteiligung ihre Pressestelle nicht beauftragt hat, die in Fachsprache gehaltene Vorlage ins Allgemeinverständliche zu übersetzten.
Wissen sich Medienpolitiker, die vorgeben, auch aus Sorge um die Meinungsvielfalt zu handeln, wirklich nicht besser auszudrücken? Jedenfalls verwechseln sie offenbar zwei Dinge: Bürger zum Mitreden zu ermächtigen, ist nicht dasselbe, wie ihnen die rein technische Möglichkeit zu geben, sich zu äußern.
300 Eingaben haben die Rundfunkkommission bereits in der ersten Woche trotz alldem nach eigenen Angaben erreicht. Wie viele Flüche darunter sind und wie konstruktiv die Antworten sind, ist bislang noch nicht bekannt. Im nächsten Schritt warten dann übrigens die nächsten Hürden: Nach der Präsentation im Herbst müssen sich die 16 Bundesländer darauf einigen, was Gesetz wird. Und das bedeutet, sie finden einen Kompromiss, zu dem es keine einzige Gegenstimme gibt. Dieser Modus erklärt, warum man im Medienrecht lieber den unübersichtlichen Flickenteppich erweitert, statt ihn neu und verständlich zu stricken.