Hörspiel im Deutschlandfunk:Hauptsache im Mittelpunkt

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Der Büchner-Preisträger und Lyriker Jan Wagner ist Autor des Hörspiels "Mandeville. Vaudeville". (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Jan Wagner erzählt die Geschichte eines bombastischen Aufschneiders - und damit auch eine fesselnde Satire auf die Gegenwart.

Von Stefan Fischer

Ein Mann von Welt braucht viele Namen. So jedenfalls hat das John Mandeville gesehen, wenn man denn dem Autor Jan Wagner glauben schenkt: John, Johannes, Jean, Jan, Hans, Giovanni ... Mandeville diktiert einem Schreiber seine Geschichte. Und weil Mandeville sich selbst darin sehr wichtig nimmt, soll die Geschichte natürlich mit ihm beginnen, mit ihm und all seinen Namen. Jan Wagner beginnt sein Hörspiel Mandeville. Vaudeville also mit dieser selbstverliebten Litanei.

Über die Identität des Mannes, der seinen Namen an viele Landessprachen angepasst hat, weiß man wenig. Er hat im 14. Jahrhundert gelebt und aus verschiedenen Quellen ein Buch zusammengetragen, das im Original keinen Titel trägt. Es ist eine abenteuerliche Reiseschilderung aus der Ich-Perspektive. Dass John Mandeville selbst all diese Reisen unternommen hat, wird bezweifelt.

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Unabhängig davon, wer die geschilderten Abenteuer erlebt haben will: Mit ihrem Wahrheitsgehalt ist es nicht weit her. Es gibt in den Erzählungen magnetische Felsen, ein Gebirge, in dem kein Wind bläst, und massive Wände, die schlicht aus Dunkelheit errichtet sind; Mandeville gibt einen bombastischen Aufschneider. Und auf den stürzen sich der Autor Jan Wagner, der Regisseur Leonhard Koppelmann und der Schauspieler Wolf-Dietrich Sprenger mit großer Lust. Sie machen einen Varietékünstler aus ihm, der am laufenden Band Sensationen ankündigt und die reißerischen Revuenummern dann gleich selbst gibt.

Das ist nicht nur äußerst kurzweilig. Man darf Mandeville. Vaudeville durchaus auch als ernst gemeinte Satire hören auf jene missionarisch ambitionierten Wortführer der Gegenwart, die sich ihr Bild von der Welt weitgehend frei von Tatsachen schaffen. Die Hauptsache ist doch, man steht im Mittelpunkt. Und eines muss man Mandeville lassen: Fesselnd erzählen kann er.

Mandeville. Vaudeville , DLF, Samstag, 20.05 Uhr.

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