Magazine Vice:"So weit kann man gehen"

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Die scheidende Vizechefin Hanna Herbst über die Abgänge bei "Vice" Österreich. Aus Protest gegen eine interne Umstrukturierung und Sorge um ihre redaktionelle Themenhoheit verlassen alle acht Mitarbeiter den Ableger des Online-Magazins.

Interview von Kathleen Hildebrand

Aus Protest gegen eine interne Umstrukturierung haben alle acht Mitarbeiter der österreichischen Vice am Montag ihren Abgang angekündigt. Künftig soll die Chefredakteurin der deutschen Ausgabe des Online-Magazins, Laura Himmelreich, für Österreich und die Schweiz mitverantwortlich sein. Ein Sprecher von Vice DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) spricht von Abgängen, "die auf eigenen Wunsch erfolgen und uns natürlich schmerzen". Und Chefredakteurin Himmelreich sagte, sie "möchte nicht Chefin von Leuten sein, die nicht zu meinem Team gehören wollen". Hanna Herbst, scheidende Vizechefin von Vice Österreich, erklärt die außergewöhnliche Entscheidung ihrer Redaktion.

SZ: Frau Herbst, zusammen mit der Nachricht, dass die Mitarbeiter die Redaktion verlassen, haben Sie ein Partyfoto gepostet, auf dem die Redaktionsmitglieder anstoßen. Wie ist die Gefühlslage jetzt?

Hanna Herbst: Das Anstoßen war nicht am Montag, das Foto stammt von einer Redaktionsklausur vor ein paar Jahren. Wir waren aber essen, um die Entscheidung gemeinsam zu verarbeiten. Mir geht es gut, es geht allen gut, es war kathartisch. Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen in den sozialen Medien. Es hat vielen Mut gemacht zu sehen, dass man etwas ablehnen kann, wenn man nicht mehr dahintersteht. Auch wenn es gerade als Journalist schön ist, fest angestellt zu sein, haben wir gezeigt: So weit kann man gehen.

Es soll seit einem Jahr einen schleichenden Autonomieverlust bei Vice Österreich gegeben haben. Wie hat sich der gezeigt?

Wir waren in den Anfangsjahren eine vollkommen eigenständige Redaktion. Erst unter der Leitung von Chefredakteur David Bogner und dann unter der von Markus Lust haben wir vor allem sehr viel über österreichische Innenpolitik geschrieben. Im Kurier stand mal, dass die Vice sich ein sensationelles Standing in diesem Bereich erarbeitet habe. Wir haben dafür Preise gewonnen, das hat uns ausgemacht. Dieser Fokus ging durch die Umstrukturierung mehr und mehr verloren. Auch wenn das nie drastische Eingriffe waren, war es ernüchternd. Als vor zwei Wochen die Entscheidung fiel, die österreichische und die Schweizer Chefredaktion aufzulösen und alles von Deutschland aus zu steuern, hat sich diese Entwicklung verschärft.

Gab es für die Entscheidung der Redaktion auch personelle Gründe in der deutschen Vice- Chefetage?

Auch. Aber man sollte nie im Schlechten auseinandergehen.

Wie schnell war klar, dass die gesamte Redaktion geschlossen aufhört?

Wir verlassen alle die Redaktion, aber es haben nicht alle im klassischen Sinne gekündigt. Ich zum Beispiel gehe in Bildungskarenz. Andere Kollegen machen es genauso, ein anderer wechselt innerhalb der Firma, andere haben gekündigt. Als bekannt wurde, dass die österreichische Chefredaktion aufgelöst wird, haben die Letzten sich innerhalb von ein paar Tagen entschieden. Es ist niemand gegangen, weil er etwas anderes vorhatte. Sondern weil es Zeit war zu gehen.

© SZ vom 16.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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