Das Motto einer Zeitung verrät viel über die Zeit, in der sie gegründet wurde. "Für Wahrheit und Recht" steht seit 1848 auf der Titelseite des Luxemburger Wortes, der einflussreichsten Tageszeitung im Großherzogtum mit seinen 625 000 Einwohnern. In einer Ausgabe finden sich neben Artikeln auf Deutsch auch Texte in Französisch und Luxemburgisch. Etwa 50 000 Abonnenten und täglich 158 400 Leser erreichte das Blatt 2018 nach eigenen Angaben - und damit 31 Prozent aller Über-15-Jährigen in Luxemburg. Auf Deutschland übertragen entspricht das einem Wert von etwa 25 Millionen Lesern. Die enorme Reichweite ist ein Grund, wieso das Luxemburger Wort als Institution gilt. Der andere Faktor ist der Eigentümer: Hinter der Saint-Paul-Gruppe steht das Erzbistum Luxemburg, vertreten durch die Vermögensverwaltung Lafayette SA. Eine große Nähe zur katholischen Kirche und der Christlich Sozialen Volkspartei (CSV), die Jean-Claude Juncker jahrzehntelang prägte, war also stets gegeben.
Die Zeitung sei "Sinnbild der Macht der Kirche"gewesen, der Verkauf für Viele ein Schock
All dies muss man wissen, um die Wucht folgender Nachricht zu verstehen: Von nun an gehört die Saint-Paul-Gruppe und damit auch das Wort dem belgischen Unternehmen Mediahuis NV. Zum Kaufpreis wurden keine Angaben gemacht. Der neue Eigentümer wolle jedoch bei der digitalen Transformation helfen, sagte Mediahuis-Chef Gert Ysebaert. Dessen Unternehmen hatte 2019 unter anderem den Irish Independent und den Belfast Telegraph gekauft. "Wir sind stolz, dass zu unserer Gruppe die drei führenden Zeitungen der Benelux-Region gehören: De Standaard in Belgien, NRC Handelsblad in den Niederlanden und nun das Luxemburger Wort im Großherzogtum." Personelle Änderungen, etwa in der Chefredaktion oder Geschäftsführung, seien nicht geplant, so Ysebaert. Die Saint-Paul-Gruppe, zu der auch das Wochenmagazin Télécran, die Luxembourg Times und das auf Portugiesisch erscheinende Contacto gehören, wird zum Minderheitseigner des in Antwerpen ansässigen Mediahuis.
"Ich wollte es zunächst nicht glauben, als ich die Nachricht hörte", sagt Benoît Majerus vom Luxemburger Zentrum für Zeitgenössische und Digitale Geschichte im Gespräch mit der SZ. Für viele sei das Wort "Sinnbild der Macht der Kirche" im Großherzogtum gewesen, das als unverrückbar galt. Den Verkauf dürften viele als "Schock" begreifen, sagt Majerus. Die Zeitung gehörte wie die Partei CSV und Gewerkschaft LCGB zur "katholischen Säule" Luxemburgs, erklärt der Historiker. Die Sozialdemokraten hätten mit dem Tageblatt ein ihnen nahestehendes Medium. Laut Majerus ist der Einfluss des Wort zuletzt zurückgegangen, denn in früheren Zeiten hätte das Blatt jeden zweiten Bürger erreicht. Zudem habe die CSV lange Jahre auf einer Gratisseite ihre Positionen schildern können. "Die Chefredaktion hat stets eine klare Meinung vertreten und Debatten geprägt, etwa zu Abtreibung oder zum Antikommunismus", sagt der 44-Jährige. Und diese Positionen seien nie linkskatholisch gewesen, sondern stets "sehr konservativ".
Auf Anfrage der katholischen Nachrichtenagentur KNA äußerte Luxemburgs Kardinal Jean-Claude Hollerich die Hoffnung, dass der Verkauf "die Zeitung auf lange Sicht stärken" und Investitionen in die digitale Aufrüstung ermögliche. Das Luxemburger Wort habe die Geschichte der Kirche im Land mitgeprägt, sagte Kardinal Hollerich: "Natürlich schmerzt es, sich von einem Stück Geschichte zu trennen." Für eine gewisse Kontinuität haben die Kirchenoberen jedoch gesorgt: Die Vereinbarung mit dem belgischen Neu-Eigentümer Mediahuis sehe vor, dass religiöse Feiern im Land auch künftig im Wort abgedeckt und auch die Seiten "Glaube und Leben" weitergeführt würden.