Lokalpresse:Phrasenautomat

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"Panik! Perverser attackiert Ferrari!" So klingt es, wenn ein Chemnitzer Blog die oft reißerischen Schlagzeilen der sächsischen "Morgenpost" neu zusammensetzt - willkommen im morgenpostfaktischen Zeitalter.

Von Cornelius Pollmer

Die sächsische Morgenpost ist in der Vergangenheit immer wieder mit Kuriositäten aufgefallen, die weit über den üblichen Leistungsumfang des Boulevards hinausgehen. So gab es über viele Jahre das Gewinnspiel "Rubbel-August", dessen Funktionsprinzip sich nur Teilnehmenden erschloss. Nicht-Rubbelnden blieb immerhin genügend Zeit, sich zu fragen, ob August der Starke in die Mopo-Druckerei eingeritten wäre, hätte er gehört, dass er zu einem Nachleben unter dem Titel "Morgenpost-Monarch" verpflichtet worden war. Das größte Kuriosum der Morgenpost aber war lange Zeit, dass sie über keine Internetseite verfügte. Als eine der letzten deutschen Tageszeitungen bekam sie vor gut zwei Jahren eine digitale Anlaufstelle. Das Dresdner Medienblog Flurfunk vermerkte am 1. Oktober 2014 heiter bis ungläubig: "Nein, nicht relauncht. Gestartet!"

Seitdem aber hat das Haus unter dem Chefredakteur Robert Kuhne auf Pringles-Taktik umgestellt und ist kaum noch zu stoppen. Die Adresse mopo24.de wurde auf tag24.de umgestellt, um überregionale Ansprüche geltend zu machen und weitere Regionalisierungsvarianten zu ermöglichen. Zum ehernen Stammgebiet der Mopo aber gehört die Stadt Chemnitz und von dort kommt nun eine weitere Kuriosität, als externer Service, den niemand je bestellt hat. Das örtliche Blog re:marx hat den Dauernachrichtenbeschuss der tag24-Seite konstruktiv-therapeutisch genutzt und einen Schlagzeilengenerator programmiert. Statt diesen jetzt allumfassend zu erläutern, lieber drei beliebige Arbeitsproben: "WIE IM FILM: Chemnitzer erschießt GEZ-Gebühr". "PANIK! Perverser attackiert Ferrari". "COMEBACK: Sportikone klagt gegen Marrokaner".

Die Schlagzeilen stimmen nur im zufälligsten unter den Einzelfällen. In aller Regel sind sie aus den beliebtesten Kampfbegriffen zusammengewürfelt. Das aber, so schwingt es im Beipackzetteltext des Generators mit, sei ja im Grunde auch wurscht: "Hauptsache HORROR, Hauptsache Klicks, Hauptsache angekommen im morgenpostfaktischen Zeitalter."

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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