Lieblingsserie: Californication:Nur Unzucht im Kopf

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Sex, Drogen und Schreibblockade: "Californication" erzählt vom grandiosen Scheitern eines Schwerenöters in L.A., sein Leben in den Griff zu kriegen. Und hat dabei weit mehr zu bieten als nur nackte Haut.

Ralph Pfister

Es gibt Männer, von denen man sagt, sie seien im Innern kleine Kinder geblieben. Auf Hank Moody trifft das nicht zu: Er ist erst als spätpubertierender Teenager innerlich stehen geblieben. Hank hat weder sich selbst noch sein Leben im sonnigen Kalifornien im Griff. Konsequenzen sind etwas, was ihn später einholt.

"Californication": Der Name, eine Verknüpfung von California und fornication (Unzucht), ist Programm. Aber nicht das Ganze. (Foto: 2010 Showtime Networks Inc., a CBS Company. All Rights Reserved. 2010 AXN. All Rights Reserved.)

Der erfolglose Schriftsteller folgt seinen Impulsen blindlings - besonders den sexuellen. So schläft er sich durch halb Los Angeles, raucht, säuft, nimmt Drogen. Bei zwei Dingen hat er offenbar nie gelernt, sie geschlossen zu halten: Seine Hose und sein vorlautes Mundwerk.

Die Hauptfigur von Californication ist die Art chaotischer Kumpel, die Männer Frauen gegenüber mit den Worten "aber eigentlich ist er ein guter Kerl" verteidigen. Das ist die große Leistung von Schauspieler David Duchovny (bekannt aus Akte X) und den Autoren: Hank wirkt nicht wie ein Widerling. Eher wie ein charmanter Idiot.

Er ist nicht bösartig, er kann einfach nicht anders. Oder, wie seine minderjährige Tochter resigniert zu ihm sagt, als er mal wieder Mist gebaut hat: "Wärst du sauer, wenn der Hund auf den Teppich gemacht hat?"

Die Lust an der Provokation

Es dürften im Übrigen auch eher Männer sein, die Moody oder die Serie verteidigen. Californication hatte bei seiner Premiere schnell den Stempel " Sex and the City für Männer".

Das Format strickte zum Auftakt an diesem Ruf auch eifrig mit: Die erste Folge beginnt schon damit, dass Moody in einer Kirche von einer Nonne oral befriedigt wird. Macher wie Marketing setzten auf die lustvolle Provokation - was in einer Gesellschaft wie der amerikanischen gut funktioniert. Konservative Gruppierungen in den USA und anderen englischsprachigen Ländern protestierten gegen das Format und riefen Werbekunden zum Boykott auf.

In Deutschland interessierte das kaum einen. Die Serie leider auch nicht. Die erste Staffel ging am "unmoralischen Montag" von RTL 2 baden - auch deshalb, weil der Sender versuchte, sie nur über den Sex zu verkaufen. Protestiert wurde stattdessen gegen die Gewalt im danach ausgestrahlten Dexter. Kulturelle Unterschiede eben.

Der plakative Sex ist die größte Schwäche der ersten Staffel, weil er den Plot in den Hintergrund drängt. Es gibt nämlich durchaus einen. So, wie es in Sex and the City nicht nur um Schuhe und Typen geht, hat Californication mehr als ausschweifenden Sex in Wort und Bild zu bieten.

Hank und Konsorten haben noch ganz andere Probleme als die nächste Stellung aus dem Kamasutra. Los Angeles dient als glitzernde Kulisse der Serie, die einen Blick in die Abgründe von Hollywood, aber genauso in die zwischenmenschlichen Untiefen wirft. Verdorben oder angeknackst ist hier jeder irgendwie, eitel Sonnenschein herrscht höchstens in Bezug auf die Wetterlage.

Hank Moody (David Duchovny) ist ein Ass darin, Mist zu bauen. (Foto: 2010 Showtime Networks Inc., a CBS Company. All Rights Reserved. 2010 AXN. All Rights Reserved.)

Die Probleme der Figuren rangieren von Sachen, die fast jeder aus dem eigenen Alltag nachvollziehen kann, bis hin zu Schwierigkeiten, die mancher vielleicht gerne hätte. Das Ganze kommt dabei unglamouröser und dreckiger daher als Sex and the City - Hank hat sich über alle drei bislang ausgestrahlten Staffeln hinweg nicht mal dazu aufgerafft, den kaputten Scheinwerfer seines dreckigen alten Porsche reparieren zu lassen.

Hank hat in der Serie drei Ziele: Seine monumentale Schreibblockade überwinden und endlich einen neuen Erfolgsroman schreiben. Mit Karen, der Liebe seines Lebens und Mutter der gemeinsamen Tochter Becca wieder zusammenkommen. Und es irgendwie bewerkstelligen, für Becca ein guter Vater zu sein.

Köpfer ins Fettnäpfchen

Statt diese Dinge auf die Reihe zu kriegen, wälzt er sich jedoch in Selbstmitleid, Selbstverachtung und in den Betten schöner Frauen. Hank kann Frauen nicht widerstehen - und sie ihm offenbar auch nicht. Das bringt ihn regelmäßig in die Bredouille.

Sei es, dass ein wütender Ehemann den alten Porsche mit dem Baseballschläger bearbeitet, eines Morgens alle drei Geliebten gleichzeitig vor seiner Tür stehen oder Karen sich entsetzt wieder zurückzieht, weil sein nächster Fehltritt ans Licht kommt. Wenn er die Dinge nicht selbst in den Sand setzt, sind es die Umstände, die ihn torpedieren - oder alte Dämlichkeiten, die ihn einholen.

Und trotzdem bleibt er sympathisch - weil man weiß, dass er nicht anders kann. Weil er ein intelligenter, witziger Mistkerl ist. Weil er nie ein Blatt vor den Mund nimmt, sich mit jedem Wichtigtuer anlegt und Freunde nicht hängen lässt. Wie gesagt: Eigentlich ist er ein guter Kerl.

David Duchovny glänzt in der Rolle des abgewrackten Schriftstellers. Vielleicht auch ein gelungener Fall von typecasting: Der Schauspieler ließ sich 2008 gegen seine Sexsucht therapieren.

Auch das restliche Ensemble ist gut zusammengestellt: Charlie Runkle (Evan Handler) ist Moodys Agent und bester Freund - und der einzige Mensch in L.A., der ähnlich viel Mist baut wie Hank. Charlie bringt seine Ehe mit Marcy (Pamela Adlon) ebenfalls immer wieder hart an den Abgrund.

Natascha McElhone obliegt es als Karen, die Stimme der Vernunft zu spielen - für Hank indes hat sie einen blinden Fleck, von ihm kommt sie nicht los. Die gemeinsame Tochter Becca (Madeleine Martin) gleicht die kindische Verhaltensweise ihres alten Herrn durch ihre altkluge Art aus.

Und dann ist da noch Mia (Madeline Zima). Das durchtriebene Biest piesackt Hank, wo sie nur kann. Was sie gegen ihn in der Hand hat, ist wieder typisch: Er ist mit ihr im Bett gelandet, ohne zu wissen, dass sie minderjährig war.

Mehr als nur Unzucht im Kopf

Californication ist erwachsene Unterhaltung im doppelten Sinne. Zum einen natürlich, weil Nacktszenen und Vokabular bedeuten, dass die Serie wahrlich nicht kindgerecht ist. Zum anderen, weil sie sich hintergründig und mit zynischem Humor mit den Abgründen des Lebens auseinandersetzt. Moody wie die Serie haben mehr als nur Unzucht im Kopf.

Sex, Humor, Alltagsprobleme und das Leben - eine Mischung, die Californication herrlich unkorrekt, irgendwie unanständig und mit mehr Testosteron als üblich serviert. Die Serie ist damit eigentlich ein verfilmtes Männermagazin. Die bieten idealerweise auch mehr als nackte Haut.

Und auch von Californication lässt sich hervorragend behaupten, dass man es nicht wegen der Erotik ansieht.

In Deutschland liefen die ersten beiden Staffeln von Californication bei RTL 2 und AXN, die dritte Staffel zeigt AXN vom 19. August an. Die vierte Staffel wird der US-Sender Showtime 2011 ausstrahlen.

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