Klatschzeitschriften:Männer betrügen, Frauen leiden und Sex wird immer mit Ehe bestraft

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Zwei wichtige Regeln der Klatschpresse: Frauen brauchen einen Mann und Menschen sind in der Regel weiß (Foto: Imago (2), Getty (2), Dpa (3), Vittorio Zunino Celotto, Collage SZ)

Wenn man die richtigen Hefte liest, kann die Welt verblüffend einfach sein. Eine Woche mit der deutschen Regenbogenpresse.

Von Johanna Adorján

Die Methode der sogenannten Regenbogenpresse lässt sich gut an den Satzzeichen erklären, die sie am häufigsten verwendet. Erst wird eine Behauptung aufgestellt, aber vorsorglich mit einem feigen "..." versehen, also bewusst einen unklaren Resonanzraum eröffnend, in dem hemmungslos gemunkelt und geraunt werden kann, weil es sich ja jederzeit darauf hinausreden lässt, dass etwas nur so gehört und weitergegeben wurde, aber wer weiß denn schon, ob wirklich etwas dran ist, doch hoffentlich nicht Punkt Punkt Punkt. Und darauf folgt, sozusagen ohne Luftholen, eine mit Ausrufezeichen versehene Wertung, eine Art abgrundtief verlogener Gefühlsausbruch.

Exemplarisches Beispiel: Schauspielerin Soundso wirkt in letzter Zeit deutlich runder Punkt Punkt Punkt. Ein Baby wäre die Krönung ihres Glücks Ausrufezeichen.

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Oder, weiteres komplett erfundenes Beispiel, einfach, um die Redaktionsarbeit in einem Regenbogenmagazin einmal nachzuempfinden: Die arme Prinzessin von Hinterdupfing sieht mitgenommen aus, seit ihr Mann einmal die Woche Tennisunterricht bei einer kurvigen Blondine nimmt Punkt Punkt Punkt. Hoffentlich erlebt er mit ihr nur sportliche Höhepunkte Ausrufezeichen.

Die Nachrichtenlage zu Helene Fischer ist verwirrend. Hat sie denn nun ein kaltes Herz?

Ein quälendes Studium der aktuellen Ausgaben, die sich untereinander nur durch den Grad der jeweiligen Gehässigkeit unterscheiden, auf keinen Fall jedoch durch Covergestaltung oder Titel, führt zu folgenden Ergebnissen: Aktuell atmet die deutsche Regenbogenpresse kollektiv auf, weil Maschmeyer endlich zu seiner Veronica nach München zieht. Acht Jahre Fernbeziehung, davon drei Jahre verheiratet: Genug ist genug.

Gesorgt wird sich um all die armen, offenbar schwer vermittelbaren Frauen, die immer noch oder schon wieder Single sind. Die Schlagersängerin Michelle zum Beispiel, seit zwei Jahren schon ohne "Mann an ihrer Seite", "an den sie sich anlehnen und sich von ihm trösten lassen kann" ( Welt der Woche). (Welt der Woche! Welt des Wildschweins okay, aber Welt der Woche?) Oder Birgit Schrowange. "Wie groß ist ihr Kummer", fragt Woche direkt in geheuchelter Anteilnahme und beklagt, dass Schrowange kaum noch Rundungen habe: "Leidet die Moderatorin darunter, dass sie keinen Mann an ihrer Seite hat?"

Was soll schon sonst sein? Frauen leiden, und Männer gehen fremd, so einer der Haupterzählstränge der deutschen Regenbogenpresse, die diese Woche traurig von Seitensprüngen von Ben Affleck (seit wann lief das schon?), Vito Schnabel (die arme Heidi) und Prinz Albert (kein Kostverächter) berichten muss, ja sogar Prinz Harry hat laut Das neue Blatt zumindest fremd geflirtet. Und heiraten sollte langsam mal Caroline Beil, die mit 50 Jahren noch mal Mutter wurde, doch "was dem jung(geblieben)en Glück noch fehlt, wäre eine Hochzeit. Vielleicht ergibt sich in den Ferien ja Gelegenheit für einen Heiratsantrag Punkt Punkt Punkt", hofft frohgemut die kriecherische Frau im Spiegel.

Die Welt der Regenbogenpresse ist einfach. Frauen brauchen einen Mann. Menschen sind in der Regel weiß. Wer Sex hat, sollte zügig heiraten. Die magazinimmanente Dramaturgie sieht vor, dass der Mann alsbald die Frau betrügt, die dann immer dünner wird und vor Gram fast vergeht. Und Leiden ist sehr gut für diese Art von Presse, denn wer leidet, dem geht es genauso schlecht oder sogar noch schlechter als seinen Lesern beziehungsweise Leserinnen, weshalb nahezu jedem Prominenten ständig irgendeine Art von Sorge oder Kummer oder riesigem Problem unterstellt wird. Schöne, erfolgreiche Menschen, denen es, Gott bewahre, auch noch gutgeht, sind ja nicht auszuhalten, wenn man selber zwei Weltkriege auf dem Buckel hat und seine letzten Tage mit dem Ausfüllen von Kreuzworträtseln herumbringt, in denen nach dem Geburtsort von Giovanni di Lorenzo gefragt wird. Oder wen auch immer sich diese Magazine als ihre Leser vorstellen, den Anzeigen nach auf jeden Fall eine siechende Klientel.

So etwas Modernes wie, hüstel, Homosexuelle kommt, wenn überhaupt, dann meistens in Zusammenhang mit Guido Maria Kretschmer vor, obwohl die Woche Spezial ihre Leserinnen diese Woche mit dessen "peinlichem Sex-Geheimnis" schockt: Sein erster Sex war ein Dreier, auch eine Frau war mit von der Partie! Sonst wird Homosexualität gern ins Tierreich verbannt. "Baby mit zwei Mamas - Thelma & Louise ziehen gemeinsam ein Pinguin-Küken groß" steht dann da unter dem Bild eines angeblich gleichgeschlechtlichen Pinguin-Paars. Man kann nur hoffen, dass die Leserin während der Lektüre dieses Artikels fest auf ihrem Pflegesessel sitzt, denn der hat es in sich: Das Ei stammte nämlich von einem anderen Paar!

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Der große Vorteil von lesbischen Pinguinen gegenüber, sagen wir, Fußballbundestrainern, ist, jetzt mal aus Sicht der Klatschpresse, dass von ihnen nicht mit Klagen zu rechnen ist. Jogi Löw, über den insbesondere die Aktuelle sehr viele, sehr perfide Lügen erfunden und verbreitet hat, sprach ein Gericht gerade für Geschmacklosigkeiten weit unter jeder Gürtellinie 220 000 Euro Entschädigung zu, die er hoffentlich bis auf den letzten Cent ausgezahlt bekommt, auf dass er sich auch in Zukunft Prozesskosten leisten kann.

Denn sie hören ja nicht auf.

Das schwedische Königshaus hat mehrmals gegen deutsche Regenbogenblätter geklagt; 2011 bekam Prinzessin Madeleine 400 000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen, das Hamburger Oberlandesgericht sah ihre Persönlichkeitsrechte "rücksichtslos" verletzt (sie spendete das Geld). Es half aber nicht. Aktuell will Freizeit Vergnügen, die wirklich das Gegenteil ist, wissen, dass sowohl Madeleine als auch ihre Schwester Victoria "guter Hoffnung" sind: "Das doppelte Baby-Glück der schönen Prinzessinnen wäre die schönste Nachricht des Jahres!" Nicht einmal der halbherzige Konjunktiv vermag die Jubelstimmung zu trüben, in die sich die Redaktion mit dieser selbsterfundenen Nachricht ganz alleine versetzt. Doppel-Wehen im Haus Bernadotte, Mensch, wär' das schön!

Glück ist, wenn es Nachwuchs gibt.

Liebe ist, wenn der Partner auch an Krebs erkrankt und man ihn pflegt.

Lebendig ist, wer noch Zielgruppe für Abnehmtabletten ist.

Aggressiv wird in nahezu jedem Magazin gerade eine bestimmte Diätpille beworben, die angeblich die Kalorienaufnahme aus Nahrungsfetten vermindert, oft direkt gefolgt von den Doppelseiten mit den Fünfziger-Jahre-Rezepten für Streuselkuchen und Baiser-Törtchen.

Aber wer mehrere dieser Magazine liest, ist mit Ambivalenzen ja bestens vertraut. Was muss man sich laut Meine Revue gerade um Al Bano und Romina Power sorgen: "Neue Tragödie! Was ertragen sie noch?" Die Tragödie ist dann, dass ihre Tochter, die ebenfalls Romina heißt, darüber sprach, dass sie ihre Drogensucht überwunden hat. Arme Eltern, aber echt. Im Goldenen Blatt dagegen feiern die beiden ihre Liebe ("Schön, dass sie gemeinsam einen zweiten Frühling erleben dürfen Punkt Punkt Punkt"). Und in Die Aktuelle gibt es dann das Sahnehäubchen obendrauf: das große Drogengeständnis von Romina Power selbst, also der Mutter.

Auch die Nachrichtenlage über Helene Fischer ist verwirrend. Hat sie wirklich ein "kaltes Herz", wie Woche direkt rätselt? Oder ist nicht das Gegenteil wahr, ist sie extrem sensibel, wenn zutrifft, was Illu der Woche mutmaßt, dass sie nämlich von bösen Lästereien von Jürgen von der Lippe über sie arg mitgenommen ist. Er hatte offenbar irgendwelche Anmoderationen von ihr kritisiert, dabei: "Gerade er sollte wissen, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen der Gag oder die Moderation nicht perfekt beim Publikum ankommt." Um die hinteren Seiten zu füllen, auf denen es an Pharmaanzeigen mangelt, gibt es neben Modetipps, die sich immer rund ums Thema Kaschieren drehen ("ideal sind Wickelkleider"), auch mal Psychotests, etwa: "Durchhalten oder aufgeben, welcher Typ sind Sie?" Im Horoskop der Woche direkt, die übrigens absoluten Rekord darin hält, wie vielen der darin vorkommenden Prominenten es dreckig geht - ausnahmslos allen - ist übrigens erstaunlich viel von Erotik die Rede, dafür, dass ein typischer Woche-direkt-Artikel so beginnt: "Wer einmal von ihm heimgesucht wurde, weiß, dass ein Hexenschuss zu den schmerzhaftesten Krankheiten gehört, die man sich vorstellen kann."

Erotik ist, wenn kurz nichts wehtut.

Um auch etwas Positives zu sagen: die Frequenz, mit der die Regenbogenpresse sinnlose Synonyme raushaut, macht ihr so schnell keiner nach. In einem recht kurzen, weil halt auch komplett inhaltslosen Text über den vierjährigen Sohn von William und Kate übertrifft Das Neue sich selbst: Abwechselnd wird er "der Blondschopf" genannt, "der älteste Spross", "der Frechdachs", "der Thronfolger", "der Mini-Royal", "der kleine Rabauke", "der Prinz", "der süße Prinz", "der royale Rabauke" und "der royale Dreikäsehoch". So hält man die vom langen Leben ermattete Leserin vermutlich vom Einnicken ab. Die so: Äh, wer war denn jetzt noch mal "der kleine Rabauke"? Er heißt übrigens George.

Oh, Zwillinge? Mit etwas Glück sind es bis zur nächsten Ausgabe schon Drillinge geworden

Ein paar Seiten später enthüllt Das Neue, offenbar vergessen habend, dass die Berichterstattung über die englische Monarchie ja bereits stattfand, übrigens Kates "süße Baby-News". Sie habe ja so gestrahlt in Polen und die Hand schützend auf ihren Bauch gelegt: "Ist Nummer drei vielleicht schon unterwegs?" Das Goldene Blatt glaubt sogar, dass sie Zwillinge "unter ihrem Herzen trägt". Ja, wir alle haben die Bilder gesehen. Das neue Mutterglück über ihr süßes Geheimnis war ihr ja deutlich anzusehen, da wird wohl der königliche Klapperstorch, Meister Adebar, der royale Segensbringer zu Besuch im Buckingham Palace, der Königsburg, dem royalen Zuhause vorbeigeschaut haben ... Und atemlos wartet die Leserschaft auf die nächste Ausgabe, die sie hoffentlich noch erleben möge, denn bis dahin könnten es ja weiß Gott bereits Drillinge geworden sein!

Das Neue ist übrigens eines der wenigen Klatschhefte, in denen jemand namentlich lästert, sonst traut man sich das nur anonym. Hier ist es die Chefredakteurin persönlich, eine Gitta Kabelitz, die gegen Mirja du Mont, die sich offenbar von ihrem Mann Sky du Mont getrennt hat - was eigentlich wen genau angeht? -, auf eine Weise stichelt, die nur verständlich wäre, hätte Mirja du Mont Gitta Kabelitz etwas Schlimmes angetan, keine Ahnung, ihr Auto angezündet oder ihr durch richtig asoziales Vordrängeln den letzten Platz in der Yogastunde weggeschnappt. "Sie wollte nach 16 Jahren nicht mehr sein Anhängsel sein (...) Ihren Nachnamen möchte das Model natürlich behalten. Für die Karriere ist Sky also noch gut genug ..."

Man kann leicht anfangen, Menschen zu hassen, wenn man sich zu lange mit der Regenbogenpresse befasst. Zu lange ist alles über: am Cover vorbeischauen.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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