Im Fernsehen:"Es gibt da doch kein Risiko, haben Sie gesagt!"

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Mirko Heckner (Nicolai Gonther) und Nele Fromm (Mala Emde) in dem Dokudrama Lehman. Gier frisst Herz. (Foto: Dominik Berg/dpa)

Ein Dokudrama erzählt mitreißend von der Lehmann-Pleite vor zehn Jahren, lässt aber ein paar wesentliche Dinge aus.

Von Meike Schreiber

Arno Breuer, Kundenberater der Sparkasse, hat schlechte Nachrichten für das Ehepaar Büttner. "Ihr Depot ist jetzt auf null gestellt", sagt Breuer (Joachim Król). So erfahren die Wirtsleute Claudia und Torsten (Susanne Schäfer und Oliver Stokowski), dass ihre Ersparnisse, die sie für die Renovierung ihrer Gaststätte brauchen, plötzlich wertlos sind. "Es gibt da doch kein Risiko, haben Sie gesagt!", schreit die Wirtin. Und Berater Breuer muss gestehen: "Sie haben keine Papiere der Sparkasse, sondern der Bank Lehman Brothers."

An diesem Tag, von dem das Dokudrama Lehman . Gier frisst Herz erzählt, am Montag, dem 15. September 2008, ist das bis dahin Undenkbare passiert: Die Lehman Brothers, viertgrößte Investmentbank der USA, meldet Insolvenz an. Was bislang vor allem eine Krise des US-Häusermarktes war, weitet sich zur weltweiten Finanzkrise aus. Das trifft auch Tausende deutsche Sparer, die Zertifikate von Lehman Brothers gekauft hatten.

Der Film zeichnet die Tage rund um die Lehman-Pleite vor zehn Jahren nach. Der dokumentarische Teil, mit Interviews von Beteiligten aus Politik und Finanzwelt bis hin zu geschädigten Kleinanlegern, spannt den Bogen bis zur Gegenwart. Aus der Perspektive von Kunden und Beratern der fiktiven Rhein-Main-Sparkasse (Vorbild ist die Frankfurter Sparkasse) zeigt der Film, wie die Gier der Wall Street auch vermeintlich brave deutsche Sparkassler angesteckt hat. Gedrängt von der ehrgeizigen Chefin muss Berater Breuer den Kunden Lehman-Zertifikate andrehen, obwohl er an der Sicherheit zweifelt. Junge Berater der Sparkassen-Online-Tochter drücken die Papiere in den Markt, angeheizt vom schmierigen Vertriebschef, der Erfolge mit drei Tagen Ibiza belohnt.

Regisseur Raymond Ley rückt die Finanzkrise nah an den Alltag der Zuschauer heran, erzählt emotional und verständlich. Die Botschaft: Die Finanzkrise war nicht nur eine Ausgeburt amerikanischer Investmentbanken; sie hatte deutsche Helfer, auch bei den Sparkassen. Kròl überzeugt in der Rolle des naiv-zweifelnden Beraters. Zudem kommen auch echte Geschädigte zu Wort und prominente Kronzeugen: Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, Jean-Claude Trichet, ehemaliger Chef der Europäischen Zentralbank, oder Andrew Gowers, Ex-Pressechef von Lehman in London, äußern sich bemerkenswert offen. Auch der damalige Chef von Lehman Brothers Deutschland, Karl Dannenbaum, hat sich vor die Kamera getraut. Er kritisiert zwar so manches Gebaren der Finanzbranche, sieht aber weder eine juristische noch eine moralische Schuld bei der Bank.

Manche Szenen allerdings, etwa die bei der Sparkassen-Online-Bank, wirken überzeichnet, etwa wenn der Chef eine junge Bankerin vor eine "Mauer der Schande" stellt, weil sie nicht "geliefert" habe. Auch die hallenartigen Besprechungsräume der deutschen Lehman-Tochter sind überzogen. Die Bank residierte damals in einem recht gewöhnlichen Gebäude in der Frankfurter Innenstadt.

Nicht zuletzt fehlt der Verweis, dass die vielen Geschädigten ihr Geld wiederbekommen haben, wenn auch erst nach Jahren. Die Frankfurter Sparkasse hatte ihren Kunden zeitlich befristet angeboten, Lehman-Papiere zur Hälfte des Nominalwertes zurückzukaufen, auch andere Banken und Sparkassen zeigten Entgegenkommen. Unglücklich ist, dass der Film mit dem berühmten "Ihre Einlagen sind sicher"-Auftritt von Angela Merkel und Peer Steinbrück von Oktober 2008 endet. Vermutlich ist es nicht beabsichtigt, aber das klingt, als hätte die Politik ein Versprechen gebrochen. Dabei sind Zertifikate keine Spareinlagen. So etwas stärkt, gerade in diesen Tagen, nicht gerade das Vertrauen in die Politik.

Lehman . Gier frisst Herz , Das Erste, Sonntag, 21.45 Uhr.

© SZ vom 22.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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