Hörspiel:Naturgeräusche, Seelengeräusche

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Nicht richtig im Kopf oder freies Denken? Ein Hörspiel über eine ältere Dame, von der man nicht genau weiß, ob sie mitbekommt, wie ihr der Bezug zur Realität entgleitet, und ihre Tochter.

Von Stefan Fischer

Irm Hermann spielt ein fulminantes Solo in dem Hörspiel Teure Schwalben. Wie in der Musik braucht solch ein Solo ein tolles Ensemble als Fundament, von dem aus es schweben kann. Die Schauspielerin Julika Jenkins und der Musiker Janko Hanushevsky bilden ein solches: Jenkins spielt in der Mutter-Tochter-Beziehung die Jüngere, die sich sorgt und kümmert, die vor allem aber die schrullige Betagte ernst nimmt und ihr so viele Freiheiten gibt wie irgend möglich. Das ist kein bisschen verschwitzt gespielt, nie aufgesetzt, sondern von einer empathischen Aufrichtigkeit.

Janko Hanushevsky hat zu der starken, verspielten Geschichte einen Soundtrack komponiert aus Musik, Natur- und Seelengeräuschen. Er erzählt auf eine eigenständige Weise von der alten Gunda, die überwiegend in ihrer eigenen Welt lebt. Die Realität schwappt manchmal noch herein über Alltagsgeräusche. Vor allem aber hat Hanushevsky einen feinen, niemals denunzierenden Sound gefunden für das, was in Gundas Kopf vorgeht, in dem unter anderem Schwalben zu flattern scheinen.

Irm Hermann spielt diese Gunda, eine 80-Jährige, von der man nicht genau weiß, ob sie mitbekommt, wie ihr der Bezug zur Realität entgleitet. Sie bewahrt sich jedenfalls ihre Souveränität. Die Schriftstellerin Irmgard Maenner hat diese Figur erfunden: eine Frau, die von der Zeit des Nationalsozialismus geprägt ist, viele Schrecken und Brüche erlebt hat in ihrem Leben. Und nun, in fortschreitender Umnachtung, zurückgeworfen wird auf die elementarsten ihrer Erlebnisse.

Gunda ist nicht normal im Kopf. Irm Hermann macht daraus eine Stärke, eine Besonderheit, für die man beide bewundern muss, die Figur und die Schauspielerin. Es geht in Teure Schwalben, inszeniert von Heike Tauch, letztlich nicht um Krankheit oder Demenz, sondern um das Recht, eine eigene Sicht auf die Dinge zu haben. Um die Freiheit des Denkens also.

Teure Schwalben , DLF Kultur, 22.03 Uhr.

© SZ vom 20.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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