Hartmut Ostrowski verlässt Bertelsmann:Auf der Suche nach der Faszination

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Der Bertelsmann-Konzern aus Gütersloh will wieder an die Weltspitze - und versucht, sich mit dem Finanzexperten Thomas Rabe einen Hauch Phantasie zurückzuholen. Der 45-Jährige ersetzt Konzernchef Ostrowski an der Unternehmensspitze. Doch wer ist der Mann?

Hans-Jürgen Jakobs

Ein bodenständiger Chef sollte es sein, einer der zu Gütersloh und der Bertelsmann AG passt - und dann war er auf einmal zu bodenständig und nicht glanzvoll genug. So endete die Karriere des Hartmut Ostrowski, 53, bei Europas größtem Medienkonzern. Der ostwestfälische Manager hat das Wohlwollen der Eigentümerin Liz Mohn, 70, verloren. Und damit natürlich auch des Aufsichtsrats. Der bestimmte an diesem Montag per 1. Januar 2012 Finanzchef Thomas Rabe, 46, als Nachfolger. Ostrowski hört ein Jahr früher auf und wurde - gesichtswahrend - in den Aufsichtsrat gelobt:

Plötzlicher Abschied: Bertelsmann-Eigentümerin Liz Mohn mit Noch-Konzernchef Ostrowski und Thomas Gottschalk auf der diesjährigen Bertelsmann-Party. Nun verkündete der 53-Jährige seinen Abschied aus dem Gütersloher Konzern. (Foto: Getty Images)

Er trete aus "persönlichen Gründen" zurück, hieß es. Der Wechsel erfolge "freundschaftlich und einvernehmlich". In wenigen Wochen hätte über eine Vertragsverlängerung geredet werden müssen, doch dafür erschien Ostrowski nicht mehr der Richtige zu sein. Schon seit einiger Zeit war der Bertelsmann-Chef unter besonderem Druck. Den hielt er nicht mehr aus. Sicher, da waren die guten Zahlen, die er stolz verkündete. Im ersten Halbjahr steigerte er das Betriebsergebnis um knapp zehn Prozent auf 269 Millionen Euro. Das gebe den "nötigen Rückenwind für unsere Wachstumsstrategie", verkündete Ostrowski.

Nur: welche Wachstumsstrategie? Einst, vor mehr als 20 Jahren, war Bertelsmann das weltgrößte Medienunternehmen gewesen, auf Raubzügen in den USA und Europa unterwegs, und auch in den Jahren danach mit reichlich Visionen ausgestattet. Das Internet und die digitale Medien hatten es den Güterslohern beispielsweise unter Thomas Middelhoff angetan, der mit den Milliarden jonglierte wie ein Wall-Street-Banker, was für Liz Mohn zum Albtraum wurde.

Seit Middelhoffs Rauswurf im Jahr 2002, und erst recht nach dem Ableben des Konzernerbauers Reinhard Mohn im Jahr 2009 galt die Devise: Patt für Patt kommt auch zur Stadt. Das hatte Mohn mal als Jahreslosung ausgegeben. Auf Deutsch: Alles eine Nummer kleiner.

Doch Liz Mohn fehlte zuletzt die Faszination, die Bertelsmann immer ausgelöst hatte. Es war ein im Fernsehen (RTL), bei Zeitschriften (Gruner + Jahr), Büchern (Random House) und Servicediensten (Arvato) sehr ordentlich vor sich hin verdienender Konzern (Umsatz 2010: 15,8 Milliarden Euro, 100.000 Mitarbeiter) geworden, mehr nicht. Sehr deutsch, wenig große Welt. Ostrowski brachte im Verbund mit Finanzvorstand Rabe die Geschäftszahlen in Ordnung, die einst hohen Schulden sanken auf ein erträgliches Maß. Doch wo der frühere Bertelsmann-Chef Mark Wössner in solchen Fällen ein "Sägezahn-Modell" präsentierte - nach Sparorgien tauchten flugs kühne Investitionen auf - präsentierte Ostrowski nach dem Gefühl der Dame des Hauses intellektuellen Stillstand. Mal sollte Education das große Wachstumsfeld werden, dann wieder Energie. Der Vorstandschef hatte nach SZ-Informationen sogar mit dem einstigen TV-Zampano Georg Kofler über ein Engagement bei dessen Energiesparclub verhandelt. Die anderen Vorständler fanden das befremdlich, aus der Sache wurde nichts. Der Club gab auf.

Aufmerksam registrierten die Mitarbeiter von Bertelsmann, dass Liz Mohn, die oberste Repräsentantin der Eigentümerfamilie, die im Aufsichtsrat und der Stiftung groß mitmischt, auf wichtige Auslandsreisen, etwa nach Asien, nicht den Vorstandschef mitnahm, sondern den eleganten, eloquenten Kassenwart der Konzerns, der ein Gespür für Trends hat. Auch im Aufsichtsrat und in Liz Mohns Beraterkreisen hatte Thomas Rabe immer mehr Fürsprecher gewonnen, wichtige Leute wie den einstigen Thyssen-Manager Dieter Vogel oder den Ex-BASF-Chef Jürgen Strube.

Bertelsmann sollte wieder mehr sein als eine Gewinnkonsolidierungsstelle: ein Weltunternehmen mit einem Hauch Fantasie. Die Gesellschafter und der Aufsichtsrat seien sich sicher, in Rabe "einen Unternehmer an der Spitze zu haben, der weitere Impulse für die Wachstumsstrategie und die Weiterentwicklung von Bertelsmann setzen wird", erklärt Gunter Thielen, Chef des Aufsichtsrats, unverblümt. Für Ostrowski hält der Vertraute von Liz Mohn das Lob parat, der Manager habe "das Unternehmen in schwerer Zeit geführt". Man fühlt sich an einen Strauß Kornblumen erinnert, der rasch nach der Gratulation verwelkt.

Ostrowski dürfte den schleichenden Vertrauensverlust der Eigentümerin als Undank erlebt haben. Intern erwähnte er, sich für die Sozialphilosophie des Hauses eingesetzt zu haben. So habe er der raschen Schließung der angeschlagenen Buchklubs widerstanden, eine Idee, die wohl aus Controllerkreisen stammte. Neu-Chef Rabe dagegen gilt als jemand, der frei von Sentimentalitäten ist. Er hatte jahrelang bei der RTL Group in Luxemburg Gewinne ermittelt und nach Gütersloh ausgekehrt. Schon jetzt betreut er Wachstumsfelder des Hauses, die als Corporate Investments ausgewiesen sind. Dazu gehören Vorstöße bei Musikverlagen, Digitalmedien und in Asien. Einiges mehr wird ihm schon einfallen - und Vorgänger Ostrowski darf dazu im Aufsichtsrat etwas sagen.

© SZ vom 11.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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