Gerichts-TV:Wenn schon, denn schon

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Einem neuen Gesetz zufolge dürfen Urteilsverkündungen der Bundesgerichte künftig gefilmt werden. Die Präsidentin des BGH hatte die Pläne stets kritisiert - jetzt, wo es um die Umsetzung geht, stellt sie aber sogar einen eigenen Kanal in Aussicht.

Von Wolfgang Janisch

Nicht, dass die Justiz regelmäßig entzückt wäre, wenn Gesetze geändert werden; meist ist das Gegenteil der Fall. Aber eine Eigenschaft zeichnet die Richter dann doch aus: Ist ein Gesetz erst einmal erlassen, dann wird es umgesetzt. Dass dies auch beim heftig umstrittenen Gesetz zum Gerichtsfernsehen der Fall sein wird, wurde bei einer Tagung im Bundesgerichtshof in Karlsruhe deutlich. Am späten Donnerstagabend hatte die Reform den Bundestag passiert, wonach Urteilsverkündungen (nicht aber Verhandlungen) der fünf Bundesgerichte gefilmt werden dürfen. An diesem Freitag, also nur wenige Stunden später, referierte BGH-Präsidentin Bettina Limperg, anfänglich eine entschiedene Kritikerin des Vorhabens. Sie stellt nun sogar die Schaffung eines eigenen "Gerichtskanals" in Aussicht.

Nach dem Motto "Wenn schon, denn schon" schwebt ihr vor, dass der BGH sich nicht nur für die TV-Teams der Sender öffnet, sondern in Eigenregie Urteilsverkündungen aufnimmt, die für die Öffentlichkeit relevant sind. Das Material würde dann ins Internet gestellt, garniert mit Erläuterungen der Gerichtssprecherin. Ihre Befürchtung ist nämlich, dass mit der nun verordneten Öffnung für die Kamerateams letztlich doch nur ein paar O-Ton-Schnipsel in einem Nachrichtenfilm landen - zu wenig, um die eigenen Entscheidungen angemessen zu erklären. Um aber das Vertrauen in die Justiz zu stärken, wie es dem Gesetzgeber vorschwebt, müsste aus ihrer Sicht mehr geschehen.

Rechtlich zulässig wäre ein eigenes BGH-TV wohl, jedenfalls sieht dies das Bundesjustizministerium so. Dennoch wird man es vorerst als eher langfristiges Projekt ansehen müssen, schon wegen des Aufwandes. Bei der Umsetzung der Reform wird es zunächst um andere Fragen gehen, zum Beispiel: Welche Fälle sind überhaupt fürs Fernsehen geeignet? Theoretisch dürfen die Senatsvorsitzenden dies im eigenen Ermessen entscheiden. Allerdings geht Limperg davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Pressefreiheit im Hintergrund steht; sollten BGH-Senate sich bei spektakulären Verfahren sperren, könnten die Medien eine Öffnung notfalls einklagen.

Jedenfalls wird, wenn das elektronische Auge der Öffentlichkeit Einzug hält, der diskrete Charme der BGH-Rechtsprechung ein Ende haben. Eine Bundesanwältin berichtete, bis in die 90er Jahre hätten die Strafsenate ihre Urteile in den meist verrauchten Dienstzimmern der Vorsitzenden verkündet. Bei den Zivilsenaten ist das bisweilen noch heute so. Wenn auch ohne Qualm.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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