"Financial Times":Lionel Barbers Abschied

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Lionel Barbers: Noch bis zum Jahreswechsel Chefredakteur der ''Financial Times''. (Foto: Leon Neal/AFP)

Nach 14 Jahren verlässt Journalist Barbers seinen Posten als Chefredakteur der renommierten Zeitung. Seine Nachfolgerin wird Roula Khalaf und damit die erste Frau an der Spitze der "Financial Times".

Von Alexander Mühlauer

Es ist gerade mal zwölf Tage her, da erschien in der Financial Times (FT) ein durchaus wehmütiger Text von Lionel Barber. Der Chefredakteur der Zeitung räsonierte über Großbritanniens Platz in der Welt, schilderte ein denkwürdiges Telefonat mit Boris Johnson und erzählte von seinem letzten Brüssel-Besuch vor dem Brexit. "The point of departure" lautete die Überschrift, und für so manchen FT-Reporter klang der Artikel schon sehr nach Abschied. Am Dienstag sorgte Barber dann selbst für Gewissheit: Nach 14 Jahren werde er seinen Posten als Chefredakteur zum Jahreswechsel aufgeben, schrieb er in einer E-Mail an seine Mitarbeiter. Barbers Nachfolgerin wird Roula Khalaf. Sie ist die erste Frau an der Spitze der britischen Wirtschaftszeitung.

Khalaf arbeitet seit 1995 für die Financial Times, die vergangenen drei Jahre als stellvertretende Chefredakteurin. Sie stammt aus dem Libanon, studierte in New York und begann dort ihre Karriere beim Wirtschaftsmagazin Forbes. Für die FT berichtete sie aus Nordafrika und dem Nahen Osten. In der Londoner Zentrale war sie danach für die Außenpolitik verantwortlich, ehe sie 2016 zur Stellvertreterin von Chefredakteur Barber benannt wurde. Um seine Nachfolgerin an der Spitze der Zeitung zu werden, musste sie ein Auswahlverfahren durchlaufen, das sich fast ein Jahr lang hinzog. Am Ende setzte sich Khalaf durch. Zuletzt entwickelte sie "Trade Secrets", einen täglichen Newsletter über Handelspolitik und Globalisierung.

Khalaf übernimmt die Redaktionsleitung einer Zeitung, die nach eigenen Angaben die Marke von einer Million Abonnenten in diesem Jahr erreicht hat. Drei Viertel davon lesen die FT digital. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg leben etwa 70 Prozent der Leser außerhalb Großbritanniens. Die Zeitung wurde 2015 vom japanischen Medienhaus Nikkei gekauft; damals hatte auch der Axel Springer Verlag Interesse. Der Zeitung geht es wirtschaftlich ziemlich gut. Barber gelang es in seiner Zeit als Chefredakteur, den Auflagenverlust der gedruckten Zeitung mit digitalen Abos deutlich zu kompensieren.

Inhaltlich setzt die FT nach wie vor auf ihre Kernkompetenzen: exklusive Nachrichten, genaue Analysen und klare Meinungsstücke. Am Wochenende ist die Financial Times allerdings weitaus mehr als eine politische Wirtschaftszeitung. In ihrer Weekend Edition finden sich Betrachtungen über Kunst und Stil, Haus und Garten. Nicht zu vergessen ist das Magazin How to spend it, das der Zeitung regelmäßig beiliegt und als eine Art Seismograph der Konsumgesellschaft gilt.

Inwieweit Roula Khalaf die Zeitung verändert, wird sich von Januar an zeigen. Sie wolle jedenfalls an die "außergewöhnlichen Errungenschaften" ihres Vorgängers anknüpfen, sagte sie am Dienstag. Vielleicht schreibt sie auch den ein oder anderen Artikel. So wie Lionel Barber vor Kurzem über den langen Abschied der Briten aus der EU.

© SZ vom 13.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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